Kolumne Frauen: Die Sache mit dem Beutel
Til Schweiger macht nicht nur Frauenfilme, sondern er ist dabei auch noch erstaunlich unsouverän. Deshalb ist "Zweiohrküken" mehr eine Kriegsreportage als eine Kolumne wert.
U m ein Haar wäre es in dieser Kolumne um "Zweiohrküken" gegangen - Sie wissen schon: Das ist der Film, in dem Matthias Schweighöfer seine Exkremente in eine Plastiktüte packt und auf dem Nachttischchen der Frau vergisst, mit der er letzte Nacht Sex hatte. Til Schweiger findet so was witzig. Er hat den Film gemacht. Und weil er immerhin so reflektiert, ist zu vermuten, dass Filmkritiker das anders sehen könnten. Deshalb hat er ihnen sein Werk vor dem Kinostart vorsichtshalber nicht gezeigt. Zu den vielen Rätseln, die Schweiger mir als Mitmann aufgibt, gehört, dass er auf seinen Mangel an Souveränität auch noch stolz ist.
In einem Interview sagte er: "Ätschibätsch, ich zeig euch meinen Film nicht mehr vor dem Kinostart und für umsonst, ihr müsst euch eine Karte kaufen, den Film mit Publikum schauen, und dann könnt ihr immer noch den Verriss schreiben." Das haben sie sich von Schweiger natürlich nicht zweimal sagen lassen und ihre Rezensionen mit dem Hinweis garniert, dass sie den Film ja gern schon zum Kinostart besprochen hätten und haben dann noch davon erzählt, wie es denn so war, ihn inmitten von Leuten sehen zu müssen, die Til-Schweiger-Filme mögen. Das las sich wie Reportagen von Kriegsreportern, die unter Einsatz ihres Lebens vom Feind berichten.
Auch wenn man über "Zweiohrküken" wahrscheinlich nicht mehr wissen muss als die Sache mit dem Kackbeutel - ich hätte ihn mir durchaus angeschaut, war sogar schon lose dazu verabredet. Doch dann haben sich die beiden Damen, mit denen ich diese kulturelle Grenzerfahrung teilen wollte, erst so kurzfristig bei mir gemeldet, dass ich für den Abend schon andere Pläne hatte. Ich muss davon ausgehen, dass das Absicht war, sie mich dann doch nicht dabei haben wollten. Es gibt Dinge, bei denen Frauen unter sich bleiben wollen, Til-Schweiger-Filme gucken gehört dazu.
Damit jetzt keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte die beiden Damen keineswegs für hörige Fans, doch man will sich ja auch nicht für jeden Lacher rechtfertigen müssen oder zumindest das Gefühl haben, dies tun zu müssen. Ich habe dafür volles Verständnis. Denn Frauen gehen, glaube ich, grundsätzlich davon aus, dass heterosexuelle Männer mit Til Schweiger nichts anfangen können - nicht ganz unberechtigt, muss man sagen. Ich habe in meiner Kolumne vor einiger Zeit ja schon erzählt, wie sich ein befreundetes Pärchen mal fast getrennt hätte, nachdem sie gemeinsam "Keinohrhasen" gesehen hatten. Sie fand ihn lustig - er nicht so, um es vorsichtig zu formulieren.
Mit meiner Freundin sind solche Konflikte Gott sei Dank nicht zu befürchten. Erstens geht sie nicht gern ins Kino, zweitens ist sie auch humortechnisch über jeden Zweifel erhaben, und drittens weist sie äußerst sympathische Wissenslücken bei Frauenfilmen auf. Sie hat weder "Die fabelhafte Welt der Amelie" gesehen, noch "Dirty Dancing". Ich weiß auch nicht genau warum, aber nachdem sie mir davon erzählt hat, habe ich ihr beide DVDs geschenkt, obwohl ich keinen der beiden Filme besonders mag. Sie hat sich sehr gefreut. Wir werden die DVDs zusammen gucken und uns nachher ganz bestimmt nicht über Patrick Swayze in die Haare kriegen. Nicht weil man über Tote nur Gutes sagt, sondern weil ich neidlos anerkenne, dass Swayze besser tanzt als ich.
Jetzt ist es in meiner letzten Kolumne 09 doch viel um "Zweiohrküken" gegangen. Mein erster guter Vorsatz für 2010 steht damit fest: weniger Til Schweiger in meiner Kolumne.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?