Kolumne Frauen: Loblied auf die Serviertöchter
Wenn der Capuccino plötzlich doppelt so gut schmeckt, ist Liebe im Spiel. Auch in Berlin-Charlottenburg
I ch verliebe mich nicht schnell und leicht schon mal gar nicht. Nur vergesse ich das manchmal. Was man tun muss, um mein Herz im Sturm zu erobern? Eine Schürze umbinden, ein Tablett in die Hand nehmen und ein Lächeln ins Gesicht tackern - ist mir ja selbst peinlich, dass es so einfach ist, aber ich kann es nunmal nicht ändern: Ich stehe auf Kellnerinnen. Bevor ich jetzt im Café nicht mehr bedient werde, weil man fürchtet, mich nicht wieder loszuwerden, möchte ich einschränken: nicht auf jede und nicht immer - und für den Fall, dass es doch mal wieder passiert, sei hinzugefügt: Meistens geht es auch schnell wieder vorbei.
Neulich erst wieder. Ich war in Charlottenburg, wo ich sonst nie bin, und hatte mit drei Kollegen ein Stündchen bis zum nächsten Termin zu überbrücken. Also schleppte ich die Herren, die sonst auch nie dort sind, ins Schwarze Café, wo nach einer gewissen Wartezeit eine studentische Servicekraft unsere nicht wirklich komplexe Bestellung aufnahm. Kurz darauf kam sie wieder an unseren Tisch - ohne die Getränke, dafür mit Notizblock und Stift. Sie hatte vergessen, was wir trinken wollten. Ich fühlte mich geschmeichelt. Offenbar hatte sie die Begegnung genauso verwirrt wie mich. Ich lächelte sie an, sie lächelte zurück. Kurz malte ich mir aus, wie unser gemeinsames Leben aussehen, wie unsere Kinder heißen und ob sie wohl kirchlich heiraten wollen würde - ich tippte auf Ja, aber evangelisch, dann redete ich mit den Kollegen über Dominik Grafs Krimiserie, die wir gerade gesehen hatten. Und schon mussten wir wieder los. Der Termin.
Wir waren kaum zur Tür raus, da hatte ich die Heiratspläne auch schon wieder aufgegeben. Schlagartig. Die frische Luft lüftete mein Hirn durch. Ich fühlte mich dämlich, so leicht zu manipulieren wie einen Kaugummiautomaten. Mein Gott, sie hat dich angelächelt, weil es ihr Job ist, freundlich zu ihren zahlenden Gästen zu sein, sagte ich zu mir, sie will dein Trinkgeld, nicht deine Liebe. Den Fehler, das persönlich zu nehmen, haben vor dir schon Hunderte Trottel gemacht. Die zugesteckten Zettel mit den Telefonnummern von Verehrern werfen die Kellnerinnen im Schwarzen Café einmal die Woche auf einen großen Haufen und verbrennen sie rituell.
David Denk ist Medien-Redakteur der taz.
Ich weiß nicht, ob Anja - ich glaube, sie hieß Anja - vergleichbare Rituale hatte. Ich weiß nur, dass ich verrückt nach ihr war. Mit 13. Sie war Kellnerin in dem Liechtensteiner Gasthof, in dem wir unseren Skiurlaub verbrachten. Wenn ich nicht gerade auf der Piste war, wich ich nicht von ihrer Seite, half ihr beim Bedienen und Gläser spülen, nur um in ihrer Nähe zu sein. An ihrem freien Tag musste Anja sich wohl vor allem von diesem pubertären Druckkessel namens David erholen. Mein größter Wunsch war es damals, sie einmal ohne Schürze zu sehen. Er blieb natürlich unerfüllt.
Diese Kellnerinnen-Obsession scheint aber auch in der Familie zu liegen. Dass mein Bruder eine Zeit lang immer in mein Lieblingscafé in Prenzlauer Berg gehen wollte, lag nicht nur an dem exzellenten Cappuccino dort, sondern mehr noch an der Frau, die ihn zubereitete und dabei manchmal ein Herzchen in den Milchschaum zeichnete, ohne zu wissen, was sie damit bei ihm anrichtete. Wenn die Verehrte mal nicht da war, was häufiger passierte, schmeckte meinem Bruder der Kaffee nur noch halb so gut.
Als ich ihn neulich aus dem Café anrief, nur um mitzuteilen, dass seine Lieblingsbarfrau mal wieder arbeitete, reagierte er merkwürdig verhalten. Mittlerweile weiß ich, warum: Er hat ein Mädchen kennengelernt. In einem Münchner Café. Als sie ihm seinen Cappuccino auf den Tisch stellte. Sein Zettelchen landete offenbar nicht auf dem Verehrernummernscheiterhaufen. Vielleicht sollte ich mal wieder ins Schwarze Café gehen.
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