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Kolumne FernsehenDie Berater vom Mars

Warum manche Unterstellungen unterhaltsam bleiben, auch wenn sie nicht wahr sind.

Bild: taz

Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.

So historisch bedeutsam kann ein Ereignis gar nicht sein, dass Beteiligte nicht sofort aufeinander losgingen. Unsere Ahnen schritten der jeweils neuen Zeit auch nicht stets gemessen entgegen, und sie unterhielten sich keineswegs ausschließlich flüsternd. Das glauben nur Nachgeborene.

Die erste Wahl eines afroamerikanischen Präsidenten in den USA ist keine Ausnahme. Derzeit fetzen sich vor allem die Republikaner - deren Niederlage steht ja auch schon fest. Was auf die Demokraten demnächst zukommen dürfte, lassen erste Kommentare allenfalls erahnen.

Zum Beispiel wenn die MSNBC-Fernsehmoderatorin Rachel Maddow, bislang Anhängerin von Barack Obama, nur zwei Tage nach dessen Sieg darüber klagt, dass zu viele ehemalige Clinton-Leute für Spitzenposten im Gespräch seien. Ob Barack Obama das unter Wandel verstehe? Im letzten Vierteljahrhundert war Bill Clinton der einzige US-Präsident, den die Demokraten stellten. Wo soll der künftige Staatschef erfahrene Berater denn hernehmen - vom Mars?

Aber das ist ja noch harmlos. Wirklich zur Sache geht es jetzt, wie gesagt, bei den Republikanern. Über die anonym lancierte Unterstellung, Sarah Palin habe von Außenpolitik so wenig Ahnung, dass sie Afrika für einen Staat und nicht für einen Kontinent gehalten habe, lacht die Welt. Ich lache auch. Obwohl - oder: weil - ich kein Wort glaube.

Man muss die Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin nicht für besonders gebildet halten, um diese Anekdote als Unfug abzutun. Die Frau hat einen Universitätsabschluss, und für derart mies sollten den US-Ausbildungsstandard nicht einmal europäische Snobs halten. Die fünf Kontinente können Abc-Schützen aufzählen. Die Gouverneurin eines US-Bundesstaates soll dazu nicht imstande sein? Absurd. Warum ich trotzdem lache? Weil der Weg der Unterstellung hinreißend durchsichtig ist.

Ausgerechnet der reaktionärste Fernsehsender der USA - Fox News - hat die Geschichte als Erster in den Rang einer seriösen Nachricht erhoben. Weshalb wohl? Derzeit herrscht bei den Republikanern ein Machtvakuum. Das könnte die Stunde der Außenseiter sein. Die man also, wenn man zum alten Establishment gehört, schnell vernichten muss, will man den eigenen Einflussbereich schützen.

Sarah Palin war für eine bestimmte Rolle vorgesehen. Sie sollte die Stimmen von Evangelikalen holen, vor allem die der Frauen. Und ansonsten den Mund halten.

Ihr Fehler: Die Gouverneurin dachte, sie sei tatsächlich persönlich gemeint, als sie zur Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin gekürt wurde.

Moment - war das wirklich ein Fehler? Einer neuen Meinungsumfrage nach haben 91 Prozent der Republikaner ein positives Bild von Palin. 64 Prozent möchten sie 2012 als Präsidentschaftskandidatin sehen. Kein Wunder, dass die männlichen Drahtzieher der Partei derzeit alles Mögliche erzählen, was Sarah Palin schaden kann. Die afrikanische Anekdote wird im Gedächtnis haften bleiben. Auch ohne Wahrheitsbeweis. Mission accomplished.

Richtig komisch wird es, wenn einstige Verbündete nicht mehr mitspielen. Die Moderatorin Greta Van Susteren verdient bei Fox ihren Lebensunterhalt vor allem damit, dass sie über Mordfälle berichtet und durchblicken lässt, die jeweils Verdächtigen für schuldig zu halten. Empörend aber findet sie: die Tatsache, dass niemand sich zur Verbreitung der bösen Geschichten über Sarah Palin persönlich bekennen will.

Mit der Verbreitung anonymer Gerüchte über Barack Obama hatte die Scientologin weniger Probleme. Über dessen angebliche Verbindung zu Terroristen und über dessen vermeintliches Bekenntnis zum Islam durfte gerne jederzeit auch ohne Quellen berichtet werden.

Aber wenn es um Sarah Palin geht - da erinnert sie sich plötzlich an journalistische Standards. Wir werden noch viel zu lachen haben.

Fragen zu Fox? kolumne@taz.de Morgen: Adrienne Woltersdorf ist OVERSEAS

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