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Kolumne Fernsehen"Wird er jemals wieder glücklich?"

Kolumne
von David Denk

Das Verhalten mancher Kollegen im Falle des Moderators Jörg Kachelmann wider mich an.

E in Urteil im Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann wird zwar erst für den 21. Dezember erwartet, aber eigentlich ist es längst gesprochen. Kachelmann wird bis ans Ende seiner Tage der Mann bleiben, der die Radiomoderatorin Sabine W. mit Gewalt zum Sex gezwungen haben soll - ob er nun schuldig ist oder nicht. Dieser Makel wird haften bleiben, sein Leben bestimmen.

Am Mittwoch erklärte Kachelmann via Bild (wohl als Dankeschön für die durchweg faire Berichterstattung - hüstel) seine Fernsehkarriere für beendet: "Ich werde nach all dem keine Wettersendungen mehr moderieren können. Nachdem Staatsanwaltschaft und Medien mein angebliches Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben, wärs mit dem Blumenkohlwolken-Onkel wohl schwierig. Das Kapitel Fernsehen ist dadurch für mich beendet worden."

Welche "Medien" er wohl meint? Bild jedenfalls fühlt sich nicht angesprochen.

Bild: privat

David Denk ist Medienredakteur der taz.

Die Nachrichtenagentur epd tickerte daraufhin "Kachelmann will keine Wetter-Sendungen mehr moderieren" - als handelte es sich um einen Rückzug aus freien Stücken. Gehts noch absurder? Selbst wenn der 52-Jährige weiter im Fernsehen auftreten wollte, würde man ihn nicht mehr lassen, selbst nicht bei 9Live - wobei, vielleicht da noch, nach einer Karenzzeit, aber sonst nirgendwo. Seine TV-Karriere ist, wie Kachelmann es selbst zutreffend formuliert, "beendet worden". Mit freiem Willen hat das nichts zu tun.

Ich muss in letzter Zeit immer wieder an Andreas Türck denken. Auch er war Fernsehmoderator, bis ein Vergewaltigungsvorwurf seine Bildschirmpräsenz 2004 abrupt beendete. Dafür war er fortan Dauergast auf der Titelseite von Bild: "Protokoll der Sex-Nacht", "Die Sex-Akte Türck", "So hat Türck mich vergewaltigt" - Chronik einer Vorverurteilung. Als Türck schließlich im September 2005 freigesprochen wurde, titelte Bild "Sieger Türck" und trat noch mal nach. "Aber wird er jemals wieder glücklich?"

Türck, der sich nach dem Prozess komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, lebt heute als Produzent von Web-TV-Formaten in Hamburg - und das hoffentlich glücklich! Alles andere wäre ein Triumph, den die "Kollegen" in ihrer Infamie nicht verdient haben.

Ich weiß nicht, ob Türck und Kachelmann sympathische Zeitgenossen sind, kenne keinen von ihnen persönlich, aber ich weiß, dass man so mit Menschen nicht umgeht. Das mag naiv klingen, aber wenn Empörung über derart abstoßenden Affektjournalismus naiv klingt, nehme ich das gern in Kauf. "Die junge Kellnerin fixiert ihn, während sie das Essen serviert", schreibt Martin Heidemanns in Bild über sein Treffen mit Kachelmann. "Früher hätte Kachelmann die junge Dame wohl spätestens zum Nachtisch nach ihrer Telefonnummer gefragt." Und dann gleich vernascht - das schreibt Heidemanns zwar nicht, insinuiert es aber. Und selbst wenn: Was geht ihn das an?!

"Ich werde noch viele Menschen um Verzeihung bitten müssen", sagt Kachelmann in Bild. Das zeugt von Anstand, den eine solche Berichterstattung über ihn vermissen lässt.

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Ressortleiter tazzwei

8 Kommentare

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  • O
    Ottilie

    Es geht doch im Fall Kachelmann nur um persönliche und wirtschaftliche Interessen. Da ist die Nebenklägerin, der ein vermeintlich sicherer Goldfisch von der Angel gesprungen ist(siehe Gutachten Dr. Greuel-" ... er soll leiden wie ich"). Da sind die Presse, für die nur die Auflage zählt, die Justiz, deren Angehörige in einem solchen Prominentenfall offenbar nur einen Karriereschub sehen, der Weißen Ring, der sich über jede Unschuldsvermutung hinwegsetzt usw., usw.. Was hier allerdings besonders widerlich ist, sind die Krokodilstränen von sogenannten Journalisten und selbsternannten Moralaposteln über "mißhandelte Seelen" und "zerstörte Lebensplanungen" mit einer geradezu ekelerregenden Aneinanderreihung von Wörten und Begriffen, deren Bedeutung sie offenbar gar nicht kennen und das in Zeitungen, die ich bislang für seriös gehalten habe. Für mich hat die Berichterstattung im Fall Kachelmann jedenfalls einen Tiefpunkt erreicht, der nur noch durch die sinkenden Zeitungs-Auflagen zu unterbieten ist und das mit Recht!

  • P
    peter

    @zweifelhaft

    sicher ist es genauso falsch Herrn K. jetzt schon freizusprechen allerdings bezweifel ich Ihre Aussage dass das Gericht feststellen wird ob er schuldig ist oder nicht. Es wird ein Urteil fällen, das ist klar. Was aber wirklich passiert ist weiss nur Herr K. selbst und das mutmassliche Opfer. Sonst niemand.

  • A
    abys

    "So geht man/n nicht mit Menschen um", war mein erster Gedanke als ich zum ersten Mal von der Causa Kachelmann gelesen habe. Warum hat das keiner der Kollegen von Herrn Kachelmann zu ihm gesagt, als sie die dritte zukünftige Frau Kachelmann an einem Tag getroffen haben.

  • Z
    zweifelhaft

    @IRita-Eva Neeser

     

    Sie vergessen anscheinend, dass das Urteil noch nicht gesprochen wurde. Ihn jetzt schon freizusprechen ist eben auch eine Vorverurteilung. Zwar ist die Seite, die ihn niederschreibt mit deutlich unsympathischer, nur heißt das ja nicht, dass er deswegen unschuldig ist. Das festzustellen sollte man den Gerichten überlassen. Kritisch den Prozess begleiten ja, aber ich maße mir nicht an, nur aus den Medien-Informationen ein Urteil zu fällen.

  • T
    tuttifrutti

    "er nun schuldig ist oder nicht. Dieser Makel wird haften bleiben"

     

    wenn kachelmann schuldig sein sollte, bleibt ein "makel haften", den er sich selbst eingehandelt hätte.

     

    warten wir's also ab.

     

    @fantutti

    schön auf den punkt gebracht!

  • SD
    Sven Diekmann(Bruder von Kai)

    Guter Bericht.

    Ich sag nur: "Ingried Steeger lebt von Hartz4". Heute (und wahrscheinlich die nächsten 3 Tage) penetranter Aufmacher in der Bild. Hauptsache Menschen denunzieren.

  • IN
    IRita-Eva Neeser

    Wenigstens einer der nicht auch noch draufschlägt, von den Herrn und Damen Kommentatoren!Herzlichen Dank dafür!

     

    Jetzt ist es einmal wichtig den Prozess durchzustehen! Die verlorene, die gestohlene Zeit kann keiner Jörg Kachelmann zurück geben. Er wird wirklich gute Freunde und Rückhalt durch die Familie brauchen. Vergessen wird so etwas nie, vielleicht verarbeitet. Nicht morgen und auch nicht in einem Jahr, irgendwann vielleicht. Wichtig ist nur eines wieder arbeiten zu können, wo und in welcher Form ist dabei nicht ausschlaggeben.

    Obwohl sich sicher viele wünschen würden Jörg Kachelmann wieder als “Wetterfrosh” zu sehen. Und nur die Proleten, die Einfältigen haben Vorurteile! Wer “Köpfchen” besitzt dem ist es wurscht ob jemand vom Kristall-Lüster aufs Bett springt, Hauptsache seinen Job macht er gut! Alles andere geht uns wirklich einen feuchten Staub an!

    Und Glück ist sowieso relativ… Zufriedenheit und Gelassenheit, das wird Wichtig sein! Meine guten wünsche hat Jörg Kachelmann!

  • F
    Fantutti

    Ich möchte gar nicht wissen, wieviele Prominente schon mit deutlich schwerwiegenderen Anschuldigungen (und Verurteilungen) keinerlei Probleme hatte, im "Business" zu bleiben. Seinen Ehepartner zu betrügen ist schon lange kein Makel mehr, ebenso verkaufen sich ausgefallene Sexspielchen hervorragend. Körperverletzung, besoffen Autofahren, einvernehmlicher Sex mit Minderjährigen, etc. alles kein Grund.

     

    Es wird erst zum Grund, wenn man es sich mit dem Boulevard versaut hat. Wenn man seine Bettgeschichten nicht mit der Gosse teilen will, dann wird man solange genötigt, erpresst oder bedroht, bis man es tut. Oder man wird eben zum Bösewicht. Kachelmann hätte seinen Job sicher nicht verloren, wenn er gute Freunde im Hause Diekmann gehabt hätte. Dann wäre das unter den Teppich gekehrt worden (Kleine Meldung am Rande) oder man hätte (je nach Enge der Freundschaft) die böse Veführerin niedergeschrieben. Stalking! In Ihrem Wahn griff die Nymphomanin den Moderator an! Kachelmann: Es war Notwehr! Das wird man wohl noch sagen dürfen!

     

    Cosi