Kolumne Fernsehen: Dumm und dünner
Ein bekannter deutscher Talkshowmoderator und weitere Gründe, sich für das deutsche Fernsehen zu schämen.
W eil ich auch vergangenen Sonntag nach dem „Tatort“ nicht schnell genug an die Fernbedienung kam, landete ich wieder bei „Günther Jauch“. Und was ich da sah, macht mich bis heute fassungslos.
Nachdem Jauch seine Premium-Sendezeit schon in der Woche zuvor der sogenannten Publizistin Gertrud Höhler zum Anpreisen ihrer Abrechnung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel geschenkt hatte, machte sich seine Redaktion (wenn’s da so was gibt) mit der letzten Sendung komplett lächerlich: Im Gespräch mit zwei Journalistenkollegen, einem Psychiater, einem „Kindermedienforscher“ und dem „Vater eines onlinesüchtigen Sohnes“ diskutierte Jauch die Frage „Achtung, Computer! Macht uns das Internet dumm?“
Immerhin eine Erkenntnis brachte die Runde: Fernsehmachen macht dümmer. Bevor es abfärbt, habe ich lieber schnell umgeschaltet und mich den Rest des Abends stumm, aber heftig fürs deutsche Fernsehen geschämt.
David Denk ist tazzwei-Medien Ressortleiter.
Wir erinnern uns: Günther Jauch – das ist der Mann, den die Anstaltsleiter 2010 im zweiten Anlauf ins Erste gelockt haben. „Mit Deutschlands wohl beliebtestem Moderator werden wir das Informationsprofil des Ersten weiter stärken“, frohlockte ARD-Programmdirektor Volker Herres damals. Und: „Als Journalist werden wir ihn exklusiv haben.“ Na, Bravo, die Investition hat sich gelohnt! Vielleicht solltet ihr auch noch den Gottschalk … – oh, Kacke, da war ja was. Bin untröstlich.
Jeden Cent wert zu sein scheint auch die Sat.1-Verfilmung der Plagiatsaffäre um einen früheren deutschen Verteidigungsminister von Adel. Nennen wir ihn Franz Ferdinand von Donnersberg. Das finden Sie affig? Dann haben Sie noch nicht gehört, wie der Autohersteller heißt, den FFD im Film retten will: Forpel. Ein Witz? Nein, mit so was macht man keine Scherze (also ich zumindest nicht). Und der Name der Bundeskanzlerin, in deren Kabinett FFD dient? Na? Nur Mut! Hauen Sie einfach das Dümmste raus, was Ihnen einfällt. Angelika Kermel? Viel zu sehr um die Ecke gedacht. Sie heißt: Angela Murkel.
Murkel! Murkel! Murkel!
Zweifeln Sie jetzt bitte nicht an Ihrem Humor, sondern an dem Verstand von Leuten, die sich so was ausdenken und trotzdem komisch finden.
Hören wir kurz rein in das, was Produzent Nico Hofmann zu seinem Projekt gesagt hat – „… ein humorvolles Stück über politische Moral … mit Augenzwinkern und würdevollem Anstand …“ –, und man ahnt, was für ein erbärmlicher Mist da auf uns zukommt.
Aber man muss Sat.1 auch mal loben: Am Montag startet die neue Serie „Es kommt noch dicker“, in der eine Dicke und eine Dünne über Nacht ihren Körperumfang tauschen. Dass da nicht früher jemand draufgekommen ist! Wie wäre es als Nächstes mit einer Serie über einen stark behaarten Außerirdischen, der auf der Erde landet und in einer Durchschnittsfamilie auf Katzenjagd geht? Oder man könnte auch von Babys erzählen, deren recht erwachsene Gedanken von Prominenten gesprochen werden? Nur so als Idee. Nicht dass die bei Sat.1 das bräuchten. Denen fällt schon so genug ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin