Kolumne Fernsehen: Stark bleiben, liebe Leser!
Der Kolumnist geht. Die Berichterstattung über das böse Fernsehen geht weiter. Leider.
H iermit verabschiede ich mich von dieser Kolumne und vom deutschen Fernsehen. Ich werde es mehr vermissen als es mich. Allerdings kann ich keine Entwarnung geben: In einem halben Jahr komme ich wieder und werde in meiner Abwesenheit vertreten von Jürn Kruse, der einen größeren Fernseher besitzt als ich und ihn mindestens ebenso gern benutzt. Er soll sogar schon – mehr als einmal! –, freiwillig einen Privatsender eingeschaltet haben.
Ja, lieber taz-Leser, jetzt heißt es stark sein, solche Leute gibt es, sogar welche mit Abitur und Job, und sie sind mir bedeutend lieber als Menschen, die nicht fernzusehen schon für eine Leistung halten, für den Ausdruck der einzig richtigen Gesinnung.
Ein Fernsehprogramm druckt die taz ja eigentlich nur noch als Geisterbahnersatz ab, damit diese Leute sich gruseln können und nach dem Schauer vom wohligen Gefühl durchströmt werden, alles richtig gemacht zu haben, als sie den Fernseher 1987 aus dem Fenster schmissen. Für sie ist ihre ausgestellte Unwissenheit, ja Ignoranz, ein Distinktionsmerkmal: Seht her, ich gucke nicht!
Überflüssig zu erwähnen, wie dümmlich ich diese Haltung gegenüber dem Massenmedium Nummer Eins finde. Dass das Fernsehprogramm dem manchmal in nichts nachsteht, entbindet eine alternative Zeitung wie die taz nicht davon, Scheiße auch Scheiße zu nennen, sondern verpflichtet sie gerade dazu. Mit dem gleichen Argument könnte man auch die FDP ignorieren, auf die Idee ist aber komischerweise noch niemand gekommen.
Mit Ausnahme der Besprechungen von Arte-Dokus über die Missstände auf diesem Planeten, den wir ja von unseren Kindern nur geborgt haben, steht die Berichterstattung über Fernsehinhalte unter Banalitätsverdacht. Diese Dokus müssen dann noch nicht mal unbedingt gut gemacht sein, gut gemeint reicht schon. In deren Bewertung werden dann auch bereitwillig die journalistischen Kriterien über Bord geworfen, auf die bei Unterhaltungsinhalten überzogen gepocht wird.
Sicher wird Entertainment die Welt nicht retten, es will lediglich den Irrsinn versüßen, wie der Krimi zwischen zwei Suhrkamp-Bänden. Ich brauche das. Wer ein Leben ohne Zerstreuung und ein bisschen Trash führt, ist mir suspekt. Auch dafür liebe ich das Fernsehen, nicht nur die HBO-Serien, auch das deutsche, und genau daran leide ich oft genug. Denn ein Programm, das selbst bei den Öffentlich-Rechtlichen auch den dümmsten anzunehmenden Zuschauer nicht überfordern will, opfert das Gleichgewicht aus Informations-, Bildungs- und Unterhaltungsanspruch.
Besonders aufregen kann ich mich über „Günther Jauch“. Aus unerfindlichen Gründen wird dieser angebliche Polittalk, in dem ja eigentlich nur „Skandalbücher“ promotet werden, auch in taz-Konferenzen noch ernst genommen. Klar ist der Sendeplatz prominent, doch das Format hat mit dem Tribunal für Jörg Kachelmann am Sonntag den letzten Rest Autorität verspielt. Die selbstherrlichen Reaktionen auf Kritik an der Sendung taten ihr Übriges. Vielleicht hat sich das ja bis zu meiner Rückkehr rumgesprochen.
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