Kolumne Familie und Gedöns: Eine Wunde und mütterliche Eitelkeit
Das Kind hat sich verletzt – und will nur vom Vater versorgt werden. Eigentlich wollte ich das auch so. Doch nun macht mein Herz einen Sprung.
![Schatten von Vater mit Kindern vor einer Wand, auf der lauter bunte Hände sind Schatten von Vater mit Kindern vor einer Wand, auf der lauter bunte Hände sind](https://taz.de/picture/2787529/14/20752900.jpeg)
I ch betrachte mich als moderne Mutter. Mein Freund und ich kümmern uns nahezu gleichberechtigt um den Haushalt. Und auch für die Erziehung unseres gemeinsamen Sohns war er von Anfang mitverantwortlich.
Wenn ich eins vermeiden wollte, dann war es das: ein weinendes Kind, das sich aus den Armen seines Vaters windet und sich nur von Mama beruhigen lässt.
Das ist mir gelungen.
Freitagnachmittag, 15.30 Uhr, Anruf aus dem Kindergarten: „Können Sie Ihren Sohn heute etwas früher abholen? Er hat eine Platzwunde am Kopf und weint ziemlich doll.“ Mein Herz setzt für eine Sekunde aus, während mein Hirn schon in Windeseile die nächsten Schritte plant:
![](https://taz.de/picture/1489057/14/tazze.png)
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Meinen Freund anrufen, der sowieso auf dem Weg in die Kita war. Check. Herausfinden, welcher Arzt noch offen hat. Check. Chipkarte und Arztheft suchen. Check. Stullen schmieren und ein Kinderbuch einpacken, um die Wartezeit beim Arzt zu überbrücken. Check.
Ich steige aufs Rad, lege die zwei Kilometer bis zum Kindergarten doppelt so schnell wie sonst zurück. Anders als erwartet, stehe ich dort nicht etwa meinem blutüberströmten Kind gegenüber. Mein Freund hat die Blutung längst mit einer Kompresse gestillt. Die Tränen sind getrocknet.
Zum Arzt müssen wir trotzdem. „Mit Paposch!“, wimmert mein Sohn und klammert sich an den Arm meines Freundes. Wieder macht mein Herz einen kleinen Sprung. Diesmal nicht vor Sorge.
Wieso mit Papa?, schießt es mir durch den Kopf. Kann jemand das Kind mal daran erinnern, wer es unter Schmerzen herausgepresst und über Monate gestillt hat?! Das hier ist ja wohl eindeutig mein Job!
Doch mein Sohn sieht das anders. „Mit Paposch!“, fordert er nun schon vehementer. Ich atme tief durch. Versuche das überkommene Rollenmuster in meinem Kopf beiseitezuschieben, auch wenn das meiner mütterlichen Eitelkeit widerstrebt.
Gleichberechtigt zu sein, denke ich, nachdem ich die beiden schließlich an der Bushaltestelle verabschiedet hatte, das heißt eben auch, für seine Kinder nicht immer die unangefochtene Nummer eins zu sein.
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