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Kolumne EurokolumneSchneckerl, hilf!

Noch neun Wochen bis zur Fußball-EM. Zur Einstimmung: Die Eurokolumne (II), heute aus Österreich.

Bild: privat

Ralf Leonhard, ist Österreich-Korrespondent der taz und lebt in Wien.

Österreich konnte sich noch nie für die Endrunde einer Fußball-Europameisterschaft qualifizieren. Diesmal ist die rot-weiß-rote Mannschaft zwar dabei. Aber nur dank der Regel, die Gastgeber automatisch zur Turnierteilnahme berechtigt. Vor einigen Jahren fiel die gemeinsame Bewerbung von Ungarn und Österreich noch durch. Zusammen mit der Schweiz, die sich schon mehrmals aus eigener sportlicher Kraft Zutritt zum Turnier der besten 16 in Europa verschafft hat, klappte die Bewerbung jetzt besser. Die Schweiz ist auch die einzige europäische Nation, die von Österreich in den letzten Jahren sportlich in die Knie gezwungen wurde.

Sonst verliefen die Freundschaftsspiele, mit denen sich das Team von Trainer Josef Hickersberger warm spielte, eher unrühmlich. Allerdings, so kommen die Freunde des österreichischen Fußballs nicht umhin festzustellen, zeigte die unerfahrene Mannschaft zuletzt aufsteigende Tendenz. Ende März unterlag das Team Österreichs den Oranjes mit einem ehrenvollen 3:4. Kein schlechtes Ergebnis gegen Holland, den zweimaligen Vizeweltmeister (1974 und 1978) und Europameister (1988), sollte man meinen. Nicht allerdings, wenn man bis zur 35. Minute mit 3:0 in Führung liegt, zur Halbzeit immerhin noch mit 3:1. So ein Ergebnis darf man nicht verspielen, orakelte ORF-Chefkommentator Herbert Prohaska zur Pause. Die ersten 30 Minuten hatte man die österreichischen Spieler kaum wiedererkennen wollen: Sie bewegten sich koordiniert, die Pässe landeten dort, wo sie hinsollten, und die ersten zwei Eckbälle landeten im Tor der Niederländer. Der Kommentator des ORF durfte nach einer halben Stunde über den Fernseher jubeln: "Liebe Zuschauer, das Ergebnis, das sie hier eingeblendet sehen, stimmt!" Schon gegen die deutsche Elf im Februar hatten sich die Österreicher wacker gehalten. 45 Minuten ließen sie den Gegner gar nicht erst in den eigenen Strafraum kommen. Und die besseren Torchancen hatten sie auch. Der Einbruch kam dann allerdings ebenfalls in der zweiten Hälfte. Den Endstand von 0:3 konnte man noch als glücklich bezeichnen.

Das letzte Mal qualifizierte sich Österreich 1998 für ein großes Turnier, damals zu den Fußballweltmeisterschaften in Frankreich. In den ersten beiden Vorrunden-Partien gegen Kamerun und Chile lag die Mannschaft bis zur 90. Minute zurück. Der Ausgleich gelang dann jeweils in der Nachspielzeit. Österreichs Problem sind eigentlich nur die ersten 90 Minuten, schrieben die Witzbolde unter den Sportreportern. Inzwischen ist alles anders: Österreichs Problem sind jetzt die ganzen zweiten 45 Minuten.

Teamchef Hickersberger, dessen Sorgenfalten in Hinblick auf den Anpfiff der EM im Juni immer tiefer wurden, hat selber schon bessere Zeiten erlebt. Hickersberger ist einer der Veteranen des legendären "Wunders von Córdoba", das den deutschen Fans unter dem Namen "die Schmach von Córdoba" geläufig ist. Damals, 1978, bei der WM in Argentinien, schlug Österreich mit Prohaska und Hickersberger im Mittelfeld das deutsche Team 3:2. Seitdem wird in den schwärzesten Stunden des österreichischen Fußballs bis heute unverdrossen "der Geist von Cordoba" beschworen - leider ohne nachhaltige Konsequenzen. Der Schütze des entscheidenden Treffers zum 3:2 in der 88. Minute, Hans Krankl, wurde zur wandelnden Legende. Er nahm sogar eine Platte auf, war aber als österreichischer Nationaltrainer vor einigen Jahren dann doch eher glücklos. Herbert Prohaska, einst ob seiner gelockten Haarpracht "Schneckerl" genannt, zieht es längst vor, die Misserfolge der jüngeren Kollegen im Fernsehen zu kommentieren.

Von den übrigen Helden von Córdoba tritt kaum mehr einer öffentlich auf. Dennoch ist dieser bisher letzte Höhepunkt des Österreichischen Fußballs als Mythos weiter lebendig. Die überschnappende Stimme des damaligen ORF-Chefkommentators Edi Finger, "Tor, Tor, Tor! I wer narrisch!", ist zum Kult geworden und auch als Handy-Klingelton erhältlich.

Im jüngsten Ranking der Fifa ist Fußball-Österreich um vier Plätze zurückgestuft worden und liegt jetzt auf Position 102 und damit in bester Gesellschaft zwischen Algerien und Benin. Die Gruppengegner bei der EM feierten die Auslosung entsprechend. Deutschland, das die Schmach von Córdoba inzwischen weggesteckt haben dürfte, liegt auf Rang 5, Kroatien ist Nummer 13 und Polen immerhin 28. Aber vielleicht wird das durch den Heimvorteil wieder ausgeglichen und es gibt ein Wunder von Wien. RALF LEONHARD

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