piwik no script img

Kolumne Einfach gesagtDie Meldungen überschlagen sich

Jasmin Ramadan
Kolumne
von Jasmin Ramadan

Ich glaube nicht, dass früher alles besser war. Ruhiger aber schon. Etliches fiel unter den Tisch, wurde nicht gebraucht, um das Internet voll zu kriegen.

Das politische Tagesgeschehen auf wenige Minuten zusammengefasst: die Tagesschau war ein familiäres Ereignis Foto: dpa

I ch weiß gar nicht, worüber ich schreiben soll, es quillt über vor lauten Themen und mir ist alles scheißegal“, sagte ich zu der Krimiautorin. Wir saßen beim Griechen in Eimsbüttel – zum ersten Mal seit Monaten nicht auf der Terrasse.

Vom Nebentisch wandte sich ein Herr im Norwegerpullover an uns:

„Wie wäre es mit dem Thema, dass der verdammt heiße Sommer vielleicht an allem Schuld ist. Vielleicht können wir Deutschen mit zu viel Hitze einfach nicht umgehen.“

„Stimmt, die Abkühlung tut gut, endlich kann man wieder differenziert denken“, sagte meine Kollegin.

„Ja, aber die Meldungen überschlagen sich noch immer“, sagte ich.

Der warm angezogene Mann sagte:

„Ja, nichts kommt zur Ruhe: Koalition, Fraktion, Nahles, Kauder, Brinkhaus, Maaßen oder Maas, ach sie alle, die Rechten, die Wagenknechts, die Kühnerts, puh!“

Seine Frau sagte:

„Aber es ist doch überall viel los. Trump tönt weiter, Bill Cosby muss ins Gefängnis – der hatte immer so was Beruhigendes, solange man nicht wusste, was er treibt.“ Und meine Kollegin sagte:

„Schreib doch über das Baby in der Uno- Vollversammlung oder das im Parlament in Thüringen.“

Bild: Roberta Sant‘anna
Jasmin Ramadan

ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Alle zwei Wochen verdichtet sie in dieser taz-Kolumne tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Davon habe ich noch gar nichts gehört!“

„Schreiben Sie doch über Merkels traurige Augen“, sagte der Kellner und stellte uns Ouzos hin – ich trank dankbar und sagte:

„Es muss mich wirklich interessieren, damit ich Lust habe, darüber zu schreiben. Aber gerade ist nur noch Inflation.“

Ich bin selbst Schuld. Morgens schalte ich als erstes das Nachrichtenradio ein, lese, während ich Kaffee trinke, parallel dazu über dieselben Themen im Telefon herum, später im Café noch mal in Zeitungen, die ausliegen und abends ziehe ich mir alles noch mal im TV rein und beschließe das Ganze mit Twitter, weil es da jede Sekunde noch was Neues gibt.

„Konsum führt nicht zu Ruhm“, sagt ein Freund und Vater immer zu seinen handysüchtigen Teenagern – und dass das Lernen früher nicht so eine Konkurrenz hatte.

Gestern hospitierte ich in einem Deutschkurs für Ausländer. Es ging dort um die Geschichte der Tagesschau. Darüber, dass es ein familiäres Ereignis war, den Fernseher am Abend einzuschalten und gespannt das politische Tagesgeschehen, auf wenige Minuten zusammengefasst, anzusehen. Danach konnte man sich Gedanken machen oder drüber reden. Informationen bekamen Zeit und Raum. Ich bin jetzt 44 Jahre alt und ich glaube nicht, dass früher alles besser war. Ruhiger aber schon. Etliche Nebenthemen fielen einfach unter den Tisch. Sie wurden nicht gebraucht, um das Internet voll zu kriegen.

Ich werde diese Kolumne beenden, indem ich über das gute alte Wetter schreibe. Der Herr am Nebentisch hat manchmal Recht und man sollte ihm zuhören – wenn er sich auch die Mühe gemacht hat. Eine gute alte Form des Austausches. Lauschen und Einmischen.

Er ist zu Ende, der heiße Hamburger Sommer. Und auch vieles andere scheint zu enden. Deshalb suche ich nun verkatert meine warmen Pullover zusammen und sortiere sie nach Farben. Eigentlich bin ich gar nicht so, aber ein bisschen Ordnung muss sein.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • ;)) - Eimsbüttel - ;)) Mach Bosse.



    & Däh!



    “Kolumne Einfach gesagt



    Die Meldungen überschlagen sich



    Ich glaube nicht, dass früher alles besser war. Ruhiger aber schon. Etliches fiel unter den Tisch, wurde nicht gebraucht, um das Internet voll zu kriegen.“

    Ja - denn nochmal - Eimsbüttel - ;)



    Die in der Zeit -HH-;) - versunkene Welt von Momos. Liggers.



    www.welt.de/print-...Stuermerreihe.html



    & Er - fein!;) - Quel homme - Von Rudolf Walter Leonhardt - ;))



    (“Mit Verlaub - das stimmt so nicht (??) - Nun. Ich war dabei!;)



    www.zeit.de/1985/0...usendundkein-momos



    “…So lernte ich den jungen Hamburger Schriftsteller Walter Jens kennen, der als ...“;))



    & Zu alledem - klar - Paul Virilio - www.taz.de/!5536966/ -



    Vor allem - “Die Eroberung des Körpers“ -



    Vom Übermenschen zum überreizten Menschen

    Na Mahlzeit



    Liggers. Wer wollte widersprechen*¿*



    Njorp