Kolumne Die rätselhafte Welt des Sports: Sammer of Love
Fragen über Fragen. Beispielsweise diese: Warum hat es im ZDF-EM-Studio auf Usedom nie geregnet? Egal, in München trumpft jetzt eine Hybridmimose groß auf.
D ie EM ist nun schon ein paar Tage rum, aber die wesentlichen Fragen wurden bis heute nicht beantwortet. Warum hat es zum Beispiel in dieser ganzen Zeit NIE geregnet auf der ZDF-Ölplattform in Usedom? Und wenn Wind war, dann nur ein leises Lüftchen?
Jeder Ostseeurlauber kann bezeugen, dass es im Juni normalerweise 31 von 30 Tagen regnet und stürmt, sodass das blonde Toupet von Olli Kahn von einer 200-km/h-Sturmböe weggeblasen worden wäre (möglicherweise bis nach Polen) und sogar Katrin Müller-Lüdenscheids zweifarbiger Frisurenhelm zerbrochen wäre.
Des Rätsels Lösung: Das Ganze wurde im ZDF-Fernsehgarten in Mainz aufgezeichnet mit einer hochmodernen Bluescreen, die die Meeresbilder hineinprojizierte, und der Wind wurde von einer ausrangierten aserbaidschanischen Eurovisionssongcontestwindmaschine erzeugt.
Nächste Frage: In welcher Sprache führte eigentlich Rudi Cerne seine Interviews? („Hau matsch Adrenalin heff ju in se boddi after se metsch?“) Antwort: Aktenzeichen ungelöst! Und aus welchem unterirdischen Genlabor der Piratenpartei kam Jeannine Michaelsen, die „Twitter-Expertin des ZDF“?
„ECHT IRRE!“
(„Hey, Olli, wusstest du, dass der Tennisstar Nadal an den Formel-1-Star Alonso getwittert hat: ’Olé, Spanien gewinnt!?‘ Das ist ja ECHT IRRE!“) Die wichtigste Frage von allen aber: Wie konnte die Uefa mit ihrem Bildmanipulationen straflos davonkommen? Erst der Scherz von Löw mit dem Ball und dem Balljungen, der ins Holland-Spiel eingeblendet wurde, und dann die falschen Tränen einer deutschen Zuschauerin während des Italien-Spiels, die bereits VOR dem Spiel aufgenommen wurden.
schreibt für das Sportressort der taz.
Wesentlich skandalöser ist es allerdings, dass alte Archivaufnahmen von zwei Toren Balotellis gegen die deutsche U21 von vor drei Jahren von der Uefa in die TV-Übertragung des EM-Halbfinales hineingeschnitten wurden. So entstand beim normalen Zuschauer der Eindruck, Italien habe 2:1 gewonnen. Dass das Spiel am Ende in Wirklichkeit 1:0 für Deutschland (durch Özils Elfer) ausging, wurde durch diese Bildmanipulation einfach unterdrückt.
Kein Wunder, dass Podolski, Kroos und Co so lahm spielten und einfach keine Hummels im Arsch hatten, sie dachten ja, es steht unentschieden bzw. sie gewinnen. Der Protest blieb übrigens erfolglos. Generation Lahmsteiger muss nun weiter auf den nächsten Titel warten. Italien aber auch.
Für die Italiener waren die Spanier das, was die Italiener für die Deutschen waren und die Deutschen davor für die Griechen, die Griechen für die Russen und die Russen für die Tschechen. Von den Holländern wollen wir mal lieber gar nicht reden. Leider sind die Spanier genauso gefangen in ihrem Tiki-Taka-Land wie einst Pippi Langstrumpfs Vater in Taka-Tuka-Land.
Baldrian fürs Volk
Das enervierende schnelle Passspiel um des schnellen Passspiels willen ist selbst in Krisenzeiten bestenfalls Baldrian fürs Volk und kein Opium. Vielleicht hat ja wenigstens der italienische Torwart Gigi Buffon bei seinem Tabakhändler in Parma wieder mal 1,6 Millionen gewettet – auf den spanischen Sieg. Es wäre ihm zu gönnen.
Nun gehen wir also in die fußballlose Zeit und es wird eine Leidenszeit werden. Zum Glück hält der FC Bayern auch für solche Fälle besondere Schmankerl bereit. Die Verpflichtung von Matthias Sammer ist so eine. Beim DFB war man vermutlich genauso verzückt, dass er geht, wie die Bayern verzückt sind, dass er kommt. Eine echte Win-win-Situation.
Tatsächlich wird aber diese sächsisch-schwäbische Hybridmimose den Verein von innen zermürben – durch immer neue Strategiepapiere, „Projekte“ und reformatorische Gewaltakte, die der Troika Hoeness/Rummenigge/Heynckes das Sauerkraut ausschütten werden.
Tullius Destructivus
Noch gibt er sich als Sammer of Love, doch spätestens mit dem Spielbetrieb wird sich der weißhäutige Mann aus der DFB-Zentrale als Tullius Destructivus entpuppen (vgl. dazu „Streit um Asterix“).
Einen „wissenschaftlichen Mitarbeiter“ hat er auch mitgebracht, der kann das Ganze dann genau dokumentieren – wie zum Beispiel Sammers Statement aus dem Februar 2011: „Ich finde, Louis van Gaal macht das alles fantastisch. Da denkst du nur: Ja wunderbar!“ Zwei Monate später war der Holländer entlassen. Klingt echt nach strategischem Weitblick.
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