Kolumne Die eine Frage: Sex? Ha, ha, ha!
Lachen Sie beim Sex, Eckart von Hirschhausen? Ein Anruf bei Deutschlands erfolgreichstem Schriftsteller.
A ls ich Eckart von Hirschhausen kennen lernte, hatte er sein Hemd aus der Hose hängen. Ein gutes Zeichen. Ich kleide mich auch so. Hirschhausen ist Dr. med und empfiehlt Lachen als Individual- und damit Sozialförderung. Sehe ich genauso. Doch in seinem gerade erschienenen Buch „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?“ behauptet er, man dürfe auch beim Sex lachen. – Niemals. Das geht ja gar nicht!
Ich erwischte ihn kurz vor einem Auftritt mit seinem Bühnenprogramm. Weil ich wusste, dass er gern redet, aber ungern über sich, drehte ich die Frage knallhart ins Persönliche: „Herr Hirschhausen, lachen Sie beim Sex?“
Er lachte.
„Sie lachen?“
„Ja.“
„Beim Sex auch?“
„Ja.“
„Wozu?“
„Es ist eine Frage des Zeitpunktes. Man darf dabei nur nicht auf bestimmte Körperteile zeigen.“
Er erklärte mir, dass er von einem echten, unkontrollierten Lachen spreche. Die Gegenwart sei „der einzige Moment, in dem wir glücklich sein können“. Lachen und Sex seien eng verwandt, weil beide uns in die Gegenwart holen könnten. „Und deshalb hilft uns das eine, in den anderen Zustand zu kommen – und umgekehrt.“
Mir fehlt hier eine süffige Anschlusspointe. Hirschhausen hätte sicher eine, er tritt seit zwei Jahrzehnten als Kabarettist auf und ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren der Gegenwart. Von seinen letzten beiden Büchern hat er über fünf Millionen verkauft.
Was die kritische Rezeption angeht, so ist es bei seinem Versuch, Wissenschaft zu demokratisieren, wie beim populären Philosophen Richard David Precht: Man versucht, ihn der Oberflächlichkeit zu überführen („Dr. Feelgood“), die dann auch noch in kalkulierten Verwertungsketten monetarisiert werde. Ja, soll er uns denn mit kalkulierten Nichtverwertungsketten auf der Tasche liegen oder was?
Hirschhausen ist ein überzeugter Vertreter der Denkrichtung der self compassion, der Selbstachtung. Das ist für ihn die Grundlage der seelischen Gesundheit – und damit eines gelingenden Lebens. Deshalb setzt er sich auch für eine neue Initiative namens „Schule im Aufbruch“ ein, die von der Wissensvermittlung zu einer Lernkultur der „Potentialentfaltung“ kommen will. „Die Fächer, die persönlichkeitsbildend sind, müssen ernster genommen werden“, sagt er.
Der Autor ist Chefreporter der taz. Seine Kolumne „Die eine Frage“ erscheint alle 14 Tage in der sonntaz. Das Wochenendmagazin ist am Kiosk, e-Kiosk und im Wochenendabo erhältlich.
Man kann über seine „einfachen Wahrheiten“ höhnen, man kann aber auch sagen: Er berührt entscheidende Punkte eines Lebens. Etwa: Warum es total erstrebenswert ist, in „Freundschaft“ mit seinem Liebespartner zu leben. Weil die Vorstellung von neverending-heißem Sex mit demselben Menschen Bullshit-Illusion ist, die einem das Leben versauen kann. Es gehe darum, die Paradoxien des Liebens anzunehmen, sagt Hirschhausen. „Und das ist nur mit Lachen möglich.“
Wir lachten also noch eine Runde und legten dann auf. Ich dachte: Über Humor zu Erkenntnis; aber sich nicht saturiert mit Intellektualität begnügen und sich nicht auf Harald Schmidts Scheißegal-Ironie zurückziehen, sondern lachend auf Veränderung zielen: das macht – ausgerechnet – Eckart von Hirschhausen zur Avantgarde des 21. Jahrhunderts. Tja.
Es versteht sich von selbst, dass ich nun beim Sex lache …
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