Kolumne Die Kriegsreporterin: Liebesgrüße aus Nordkorea
Netzwerk-Recherche-Tagungen sind nicht mehr das was sie 1-mal waren, der „Spiegel“ kann seine Probleme mit Frauen und Alten lösen und die „Für Sie“ verteilt Coaching-Karten.
H allo, taz-Medienredaktion!
Nein, die Netzwerk-Recherche-Tagung ist nicht mehr das, was sie 1-mal war. Mein Eindruck: Seitdem Thomas Leif nicht mehr in der ersten Reihe geigt, gibt’s keine Party mehr. Alles nur vernünftig. Kein Suff, kein Sich-gehen-Lassen nach 18 Uhr. Nur anständige Menschen mit anständigen Themen.
Ein Highlight war die Veranstaltung rund um die Forderung von Journalistinnen nach einer Frauenquote für Führungspositionen. Die weise Organisation hatte Thomas Sattelberger, Ex Telekom-Manager und Quotenverfechter eingeladen, der dem Spiegel-Chef Georg Mascolo erzählte, wie man ein modernes Unternehmen führt. Vielfalt ist das Stichwort. Und flexible Zeit- und Führungsmodelle. Das war toll. Das Schönste aber war: Ich sah die Sonne aufgehen. Auf einmal wurde klar: Die Probleme, die der Spiegel hat, die sinkenden Auflagenzahlen, die abnehmende gesellschaftliche Relevanz, die unzeitgemäße Arroganz, sind Probleme, deren Lösungsschlüssel außerhalb des Inhaltlichen liegt.
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Ich hörte Sattelberger reden und wusste: Würde man den Spiegel neu strukturieren, Frauen reinholen, Leute mit Migrationshintergrund, Alte, flexible Arbeitszeitmodelle und vor allem ein völlig abgefahrenes Verantwortungsmodell, in dem Führungspositionen temporär und flexibel besetzt würden, würden sich die Probleme des Blattes lösen. Simsalabim! würde ein modernes, innovatives und vor allem relevantes Blatt entstehen. Aber, wir sind ja beim Spiegel. Eher gehen die Ressortleiter unter, als ihre Posten aufzugeben. Es geht ja nicht ums Blatt. Es geht immer nur um einen selbst.
Das Thema Frauenquote in die Tagung zu holen, ist natürlich sehr löblich. Für nächstes Jahr allerdings plädiere ich, es einfach über das Tun zu tun. Da passt das Vorhaben, am kommenden Sonnabend einen Pro-Quote-Verein zu gründen. Eine Aufgabe für 2013: Die Netzwerk-Jungs nicht wieder mit gefühlten drei Prozent durchkommen zu lassen.Was bin ich froh, dass diese nordkoreanischen Langstreckenraketen, die immer schon nach dem Start runterfallen, nicht bis nach Hamburg reichen. Höre ich, dass die Nordkoreaner ihren Südgeschwistern böse Verwüstungsbekundungen schicken, weil die nicht gefällig berichten, müsste ich minütlich damit rechnen, dass mein kleines Büro in Schutt und Asche gelegt würde, so lustig, wie ich mich immer mal wieder über die Männer mache, die in dem Land, das Nordkorea ist, Staat spielen.
Aber nicht nur die Qualität der nordkoreanischen Raketen stärkt die Wahrscheinlichkeit meines Fortlebens, auch die Für Sie aus dem Jahreszeitenverlag – so eine Art verlegerisches Nordkorea – hilft dabei. In der aktuellen Ausgabe habe ich „Coaching-Karten für ein starkes Ich“ entdeckt. Auf Blumenabbildungen stehen Sätze, die mich davon abhalten, jetzt hier von der Brücke zu springen. „Ich glaube an mich und meinen Erfolg“ ist einer, „Ich feiere das Leben“ ein anderer. Schön auch, besonders für Adipöse: „Dankbar nehme ich die Fülle an.“
Was mich allerdings traurig stimmt, ist der Rückschluss, den die Coaching-Aktion zulässt: Die Für-Sie-Leserin ist so hinüber, dass sie nur durch gutes Zureden den Alltag bewältigt bekommt. Kein Wunder, dass die Auflage so in den Keller rutscht.
So, nun aber die Streichhölzer gesucht. Ich habe nämlich eine tolle Verwendung für die Für-Sie-Coaching-Kärtchen gefunden. Die Pro-Quote-Vereinsgründung. „Geduldig handle ich zum richtigen Zeitpunkt“ ist doch ein Kärtchen, das sich mit viel Freude verbrennen lässt. Und damit zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht