Kolumne Die Farbe Lila: Groß sein ist einfach geil
Auch wenn es die Freiheit manchmal einschränkt: Mit hohen Hacken begegnet man seinem Gegenüber zumindest auf Augenhöhe.
D er eine Werber so: "Voll lustig mein Spot! Alle Frauen haben nur Schuhe im Kopf", und alle anderen Werber so: "Hey, das ist mein Witz!" Das twitterte neulich @katjaberlin sehr treffend. Frauen und Schuhe, das ist genetisch, haha, genau. Auch ich habe mir gerade ein paar neue Schuhe gekauft. Meine ersten Absatzschuhe. Es sind nur fünf Zentimeter, aber die haben es in sich, wenn man wie ich bisher nur in flachen Schuhen herumlief.
Damit war für mich keinerlei politisches Statement verknüpft, sondern vor allem der Wunsch, es bequem haben zu wollen. Meine sechs Paar Schuhe - ja, nur sechs! Ich bin genetisch degeneriert, irgendwas an meinem XX-Chromosomenpaar ist kaputt - sind aus Leder, geben allen zehn Zehen reichlich Platz und haben sogar ein Fußbett.
Und dann kaufte ich mir vor ein paar Tagen diese Absatzschuhe. Ich sah sie - schwarz, knöchelhoch und mit einem fünf Zentimeter hohen Absatz - und sagte mir: Ach, ich probiere sie einfach mal an, aus Witz.
Susanne Klingner ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt auf mädchenmannschaft.net.
Seitdem trage ich die Schuhe täglich. Und habe mittlerweile auch nicht mehr das Gefühl, ich sähe aus wie ein junges Fohlen bei den ersten Gehversuchen. Tatsächlich musste ich nämlich erst einmal ganz neu laufen lernen. Mit den Schuhen gehe ich aufrechter. Seit ein paar Jahren hole ich vor Präsentationen und Chefgesprächen tief Luft und stelle mir vor, ich sei ein paar Zentimeter größer - und fühle mich dann wirklich stärker, selbstbewusster, unnachgiebiger. Ich drücke meinen Rücken durch und mit ihm auch mehr oder weniger meine Vorstellungen beim Gegenüber. Jetzt, in diesen Schuhen habe ich dieses Gefühl den ganzen Tag lang - als ob mir nichts und niemand was kann. Und tatsächlich stehe ich ja den meisten Menschen, auch sonst etwas größeren Männern, auf Augenhöhe gegenüber.
Der Schuhdesigner Christian Louboutin, der mit den roten Schuhsohlen, vertrat in einem Interview die gewagte These, seine Schuhe dienten der Emanzipation. Nun ist natürlich zuallererst fraglich, ob Louboutin nicht einfach nur Werbung für sein Produkt machte, immerhin kann er angesichts einer Kollektion, in der kein Paar Schuhe weniger als zehn Zentimeter hohe Absätze hat, kaum behaupten, die seien gut für die Fußgesundheit von Frauen. Also braucht er andere Argumente.
Prompt regten sich einige Feministinnen ziemlich beeindruckend über Louboutin auf: High Heels degradierten Frauen zu Sex-Objekten, würden ihre Freiheit einschränken, weil sich in ihnen zum Beispiel nicht zum Bus rennen lasse und überhaupt sei doch speziell bei Louboutins Schuhen die rote Sohle fast schon pornografisch. Und ich wunderte mich: Sind hohe Absätze wirklich noch ein Streitthema? Das Ende der Emanzipation? Mehr als eine Möglichkeit von vielen, seine Füße mit Schuhwerk zu versehen? Groß sein ist einfach geil. Die Natur hat mich mit fast 180 Zentimetern eh schon reich beschenkt, und trotzdem denke ich ernsthaft darüber nach, mir nach meinen neuen Absatzschuhen auch noch eine Marge-Simpson-Turmfrisur zuzulegen - und bei der nächsten Gehaltsverhandlung einfach mal das Doppelte zu fordern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut