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Kolumne Die EuroserieGefangen in der Schuldenfalle

Kolumne
von Rudolf Hickel

Die offizielle Finanzpolitik wird derzeit durch einen Primitiv-Fiskalismus beherrscht. Ein antizyklischer Ansatz wäre nötig.

Grüne Weiden in weiter Ferne: Dogmatische Sparpolitik führt in die Schuldenfalle. Bild: dapd

D ie offizielle Finanzpolitik wird derzeit durch einen Primitiv-Fiskalismus beherrscht. Ohne den Gesamtblick auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Staatsaufgaben erklären Politiker und Wirtschaftswissenschaftler die rasant gestiegene Staatsverschuldung monokausalistisch zur zentralen Ursache ökonomischer Fehlentwicklungen.

Es heißt zum Beispiel, die staatliche Kreditaufnahme an Kapitalmärkten bremse Investitionen der Privatwirtschaft. Die Eurokrise sei im Kern auf zu hohe Staatsschulden zurückzuführen, die durch Ausgabenexzesse zustande gekommen seien. Ja, über die ökonomische Kritik hinaus werden steigende Schulden als Problem mangelnder politischer Moral gescholten. Die dagegen gesetzte Rotstiftpolitik gilt als unvermeidliche Sühne.

Die durch Fehlentwicklungen des Wirtschaftssystems ausgelösten Triebkräfte expandierender Staatsverschuldung werden dabei unterschlagen. Die Schulden der Bundesrepublik etwa haben sich zuerst durch die Finanzierung der deutschen Einigung seit Anfang der 1990er Jahre verdreifacht. War diese staatliche Finanzierung unmoralisch?

RUDOLF HICKEL

70, ist Gründungsdirektor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen und als Sachverständiger für den Finanzausschuss des Bundestags aktiv. Jüngst publizierte er das Buch: „Zerschlagt die Banken. Zivilisiert die Finanzmärkte“.

Auch in der Eurozone zeigt sich, dass die Staatsschuldenkrise wenig mit exzessiver und moralisch unverantwortlicher Ausgabenpolitik der Regierungen zu tun hat. Der plötzliche Sprung bei der Staatsverschuldung seit 2008 im Euroland ist aber nicht verantwortungsloser Verschwendung zuzuschreiben, sondern den Rettungsprogrammen infolge der Finanz- und insbesondere Bankenkrise.

Mit der Austeritätspolitik tritt allerdings das Gegenteil der versprochenen Sanierung öffentlicher Haushalte ein. Die Eurokrisenländer sind mit den Sühneprogrammen in die dauerhafte Rezession gezwungen worden. Deutschland scheint da nur auf den ersten Blick nicht vergleichbar zu sein. Jedoch die gesamtwirtschaftlichen Belastungen durch das soeben erst begonnene Regime der Schuldenbremse sind noch nicht sichtbar.

Neoliberale Unterstellungen

Seit diesem Herbst zeichnet sich eine Stagnation ab, die auch in eine Rezession umschlagen kann. Um dann mit der Finanzpolitik gegenzusteuern, reicht der in der Schuldenbremse vorgesehene konjunkturelle Puffer bei weitem nicht aus. Der Bund ist gut beraten, statt um den frühesten Termin einer Nullverschuldung zu wetteifern, eine antizyklische Politik mit einem ökologisch fundierten Zukunftsprogramm vorzubereiten.

Das sich abzeichnende Scheitern der deutschen Schuldenbremse und des EU-Fiskalpakts hat einen entscheidenden Grund: Reduzieren die Gebietskörperschaften ihre Ausgaben im Gleichschritt, wird den Unternehmen Nachfrage entzogen. Ernsthaft lässt sich die neoliberale Unterstellung nicht beweisen, dass staatliche Schrumpfpolitik Unternehmen zu Investitionen animiere. Dafür spricht, dass in Deutschland die privaten Haushalte immense Summen sparen – 2011 über 186 Milliarden Euro.

Die Firmen schöpfen diese Überschüsse aber bei weitem nicht durch die Finanzierung von Sachinvestitionen ab und kompensieren daher nicht den Entzug konsumtiver Ausgaben. Die Folge ist die vielfach beschriebene Schuldenfalle: Die Reduzierung öffentlicher Ausgaben führt zu einem Verlust an gesamtwirtschaftlicher Produktion um ein Vielfaches. Und am Ende steigen wegen der Krisenkosten die Staatsschulden.

In den Eurokrisenländern zeigt sich der Teufelskreis besonders bitter. Mit der durch die Geldgeber erzwungenen Austeritätspolitik ist beispielsweise Griechenland seit 2009 in einer dauerhaften Rezession gelandet. Die Arbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen fällt extrem hoch aus.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen ist eine antizyklische Finanzpolitik nötig. Wenn heute mit Hilfe von Staatsverschuldung ökologisch nachhaltige Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht werden, dann profitieren davon künftige Generationen – auch wenn, sie per Steuern, die Zinsen finanzieren müssen.

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4 Kommentare

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  • AP
    Alexander Paul (17)

    Bei dem hier verfassten Artikel handelt es sich leider um eine Fehlauffassung! Es ist unumstritten, dass eine antizyklische Finanzpolitik den Mensch falsch betrachtet. Es ist eine Utopie zu glauben, dass die Refinazierung der entanden Schuldenberge in einem Aufschwung zurückgezahlt werden können. Die Politik ist nicht flexibel und auch nicht schnell genug sich um eine angemessene Fiskalpolitik zu kümmern. Und wie soll eine konstante Fiskalpolitik geführt werden, wenn die Regierung alle vier Jahre wechselt? Wollen wir wirklich unsere Wirtschaft an Politiker knüpfen, die unter Umständen eine falsche Auffassung der Fiskalpolitik haben, aber ansonsten genau unserem Willen entsprechen? Diese Parteien sind für einen vernünftigen Menschen somit nicht wählbar. Staatsschulden können zudem verherrende Folgen haben, wenn, wie es in Deutschland der Fall sein wird, der demografische Wandel einen Geburtenrückgang über eine ganze Generation verzeichnen muss. Es ist unmöglich mit einer kleineren Gruppe der Steuerzahler eine größere Gruppe der Rentenbezieher zu finanzieren, wenn die Gehälter nicht um die Differenz wächst. Es ist verantwortungslos wirtschaftliches Wachstum auf Kosten von nachfolgenden Generationen zu fördern. Diese Politik verlagert lediglich heutige und längst vergangene Probleme in die Zukunft, bis es zum Zusammenbruch führt. Vllt. sollten wir damit anfangen alle Staatsschulden auf einmal zu begleichen, wie es David Ricardo gefordert hat. Nach der heutigen Schuldenuhr wären das pro Kopf ca. 25.000€. Ich wäre dazu bereit meinen Teil sofort zu begleichen, wenn wir damit das Problem der Staatsverschuldung entgültig gelöst hätten. Einen Schuldenschnitt halte ich für erstens sehr unwahrscheinlich und zweitens sehr unfair, da dadurch die Gläubiger auf ihren Teil verzichten müssten und die Verschuldung der Schulner auch noch belohnt werden würde. Es würde keinen dauerhaften Effekt bewirken.

  • JK
    Jörg Krauss

    Eine Bitte hätte ich noch zum Thema antizyklisch. Also mir wäre sehr geholfen, wenn dann schon antizyklisch Infrastrukturen im ökologischen auf den Weg gebracht werden sollen, dann wünsch ich mir vom Weihnachtsmann auch, das diese ausschließlich regional, dezentral und genossenschaftlich vonstatten zu gehen haben. Wenn nicht, bezahlen wir irgend wann einmal auch für die Luft, die wir atmen an irgend welche grün angemalten Kapitalistenmonster, die im Mantel dieser Zyklen ihre hundertjährigen fossilen Altlasten gleich mitfinanziert wissen wollen, eine monatliche ökologische Abgabe.

  • D
    Detlev

    "... steigende Schulden als Problem mangelnder politischer Moral" - das ist die Idiotie der Jahre 2011/12, denn es geht eben gar nicht um politische Moral, sondern um Wachstum, Schulden und Arbeitsplätze. Das Abwürgen der griechischen Wirtschaft hat bereits ein Minus von 17 Prozent gegenüber dem letzten positiven Wachstumsjahr erzeugt. Natürlich kann Griechenland seine Schulden nicht bedienen und braucht sogar immer mehr externe Finanzspritzen, um überhaupt noch zu funktionieren.

     

    Ich muss sagen, dass Hickel fast noch zu nett über die Wirtschaftspolitik schreibt. Er bringt es aber gut auf den Punkt: Sparen erzeugt Armut, muss irgendwo eine gewisse Sinnhaftigkeit haben. Die Schulden Deutschlands sind einheitsbedingt. Anders formuliert: Die Schulden für die Einheit zeigen eben auch das Unvermögen, im Osten einen echten Angleichungsprozess zu initieren.

     

    Wir haben ohne Zweifel Dilettanten hier am Werk, die dabei sind, Europa in eine jahrelange Rezession zu schicken, wobei das Ende bis heute nirgendwo greifbar oder definiertbar ist. Es ist ein langes dunkles Loch - wo das Licht am Ende ist, kann niemand sagen. Wenn alles so weiter gemacht wird, wie bisher könnte es in einem neuen Zerfall Europas, in Kriegen, Diktaturen und neuen Konflikten enden.

  • J
    Jürgen

    Eine klare Analyse, wie immer bei Herrn Hickel! Die vorherige und die jetzige Regierung wirtschaften nach dem Motto "schützt die Spekulaten vor dem Markt". Das Geld holen wir ohnehin von der minderbemittelten Klasse. Soziale Marktwirtschaft sieht aber ganz anders aus!