piwik no script img

Kolumne Die ChartsFit mit Eislaufdiva Kati Witt

Peter Unfried
Peter Unfried
Kommentar von Peter Unfried und Peter Unfried

Heute mit Folge III von "Das Content Department": Mies und die Frauen.

Bild: marco limberg

Peter Unfried ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

"Vielleicht sollten wir doch mal ein Interview mit Katharina Witt machen", sagte Mies zu seinem Ressortleiter. Kern winkte ab. Erstens war er mitten in einem komplizierten Kommentar zum Fünfparteiensystem, den er "Gefahr und Chance" genannt hatte. Zweitens wusste er, worauf es rauslief, wenn Mies über die Doppel-Olympiasiegerin aus Karl-Marx-Stadt räsonnierte. Als Nächstes fiel ihm garantiert der legendäre Stern-Titel "Fit mit Kati Witt" ein. "Nur gut, dass sie nicht Kati Wick heißt", sagte er dann immer und gackerte spätpubertär.

Da, jetzt wieder. Altmännerhumor. In ihrem kleinen Kabuff roch es eh schon streng, weil Mies nach dem täglichen telefonischen Streit mit seiner Exfrau die letzte Nacht wieder im "Blauen Affen" verbracht hatte. Kern hatte eine automatische Runzeleinrichtung, die in solch peinlichen Momenten seine Stirn zerfurchte, wenn Sexismus, Rassismus, Sozialismus oder gar Freiheit drohte. Selbstverständlich nannte Kern die voranschreitende Entwicklung der Redaktion zum Content Department "ambivalent", wenn die anderen Ressortleiter abkotzten. Insgeheim machte er sich Notizen, wer von den Kollegen welche Schimpfwörter gebrauchte. Der Chef suchte schließlich "Talente für den Wandel". Je mehr Talente sich disqualifizierten, desto besser wurden seine Chancen. Nur bei Mies schrieb er nicht mehr mit. Es war ja klar, dass der in seinem Alter und bei seiner Renitenz eh abgemeldet war.

Kern würde seine Zweimannredaktion zu einem Mies-freien, interaktiven Newsroom für Quality Content & Priority Entertainment ausbauen. Sicher, es war noch nicht eingeübt, die Werbefuzzis mit am Tisch sitzen zu haben, aber Synergie sicherte Arbeitsplätze. Und zwar die von denen, die die Future des Qualitätsjournalismus nicht durch anachronistischen Moralcontent gefährdeten. Sagte der Chef auch immer.

Während Kern aus einem Leitmedium den Satz "Die politische Landschaft ist dramatisch in Bewegung geraten" in seinen Text kopierte, erzählte Mies, dass gestern im "Affen" zwei Frauen am Nebentisch gesessen hätten. Und dass das Leben seltsam sei. "Wieso seltsam", fragte Kern. "Weil man sich bei zweien immer sofort überlegt, mit welcher von beiden man es treiben würde." Kern schaltete die Runzelautomatik ein: "Ist das so?" Selbstverständlich war das so. Aber Kern hütete sich, das zuzugeben. Auch das Wort "treiben" würde er niemals verwenden. Wer wusste denn, ob nicht eines Tages doch der lustfeindliche Stalin-Feminismus zurückkehrte.

Mies sprach nun darüber, wie er bei einem Klassenausflug 1980 mit einer "Top-Alten" rumgemacht habe. Das Einfädeln sei über deren halblebige Freundin erfolgt. "Die Halblebige war die Botin der Hübschen." Das sei damals immer so gewesen. "Erst kam die halblebige Freundin angedackelt und teilte einem das Interesse der Hübschen mit. Wurde es erwidert, ging die Halblebige zur Hübschen zurück und erstattete Bericht. Irgendwann kam sie erneut und verkündete das weitere Prozedere." Kern schluckte, denn er hatte seine Dorothea tatsächlich so kennengelernt. Damals hing er immer in der Diskothek "California" ab. Allein. Eines Tages kam sie zu ihm rüber. Endlich. Er strahlte sie glücklich an. Da dachte er ja noch, Dorothea käme im Auftrag ihrer bildhübschen Freundin. Sie kam aber im eigenen. Kern wollte noch sagen, dass das gegen die Regeln sei, aber da war es schon zu spät. Fortsetzung folgt.

Die Charts im März:

Song: "Whose Authority" - Nada Surf. "Daydream Believer" - John Stewart. Konzert: Neil Young in Berlin letzte Woche. Buch eins: "Esra" - Maxim Biller. Schöner Liebesroman. (Wer sich dafür interessiert: unfried@ taz.de). Buch zwei: "Nicht die ganze Wahrheit" - Dirk Kurbjuweit (Nagel & Kimche). Detektiv spioniert im Auftrag von dessen Frau hinter einem Fraktionsvorsitzenden (und also Machtpolitiker) her und fällt in Liebe mit dessen Gschpusi, einer jungen, idealistische Abgeordneten des deutschen Bundestages. Ein Buch mit vielen Sätzen zum Anstreichen wie zum Beispiel: "Warum finden es Journalisten so geil, beim Kanzler sitzen zu dürfen?"

Fußball: Christian Gentner - multifunktionaler, lauf- und zweikampfstarker, ballsicherer Mittelfeldspieler. EM-tauglich.

Fragen zu Frauen? kolumne@taz.de Morgen: Jörn Kabisch über das GERICHT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!