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Kolumne Der rote FadenBesser mal ein Fass aufmachen

Saskia Hödl
Kolumne
von Saskia Hödl

Einfach „locker bleiben“ bei rassistischen Sprüchen? Nein. Und wer kein Interesse an Gleichheit hat, kann sich seine Ratschläge gleich ganz sparen.

Debra Lee, CEO vom Sender BET (Black Entertainment Television), überreicht im Juni 2016 in Los Angeles dem Schauspieler Jesse Williams den Preis für humanitäres Engagement Foto: reuters

W as für eine „Rasse“ sie sei, wurde eine Freundin vor kurzem von einem Kollegen gefragt. Auf ihrer Facebook-Pinnwand entwickelte sich, nachdem sie diese Erfahrung gepostet hatte, eine lange Diskussion. Denn neben vielen betroffenen Kommentaren ließ der in Deutschland aus unerfindlichen Gründen sehr verbreitete Reflex, dass es „vielleicht ja gar nicht so gemeint war“, ebenfalls nicht lange auf sich warten. Vielleicht sei das ironisch gemeint gewesen, sie solle doch bitte nicht so ein „Fass aufmachen“.

Einfach mal „locker bleiben“, wenn jemand nur wissen wolle, wo sie herkommt. Man werde ja im Ausland auch gefragt, wo man herkomme, das sei ja jetzt alles wirklich nicht so schlimm. Und überhaupt: Irgendwann, in ein paar Jahrhunderten, werde das alles kein Thema mehr sein. Es sei ja auch schon viel besser als früher. Ob man nicht andere Probleme habe.

Der Inbegriff des Privilegiertseins ist ja, die Probleme anderer nicht anzuerkennen, weil es nicht die eigenen sind. Die KommentatorInnen auf Facebook argumentierten ganz auf dieser Linie, gaben aber natürlich umgehend zu Protokoll, dass sie sehr wohl Ahnung hätten von Rassismus, weil sie schließlich selbst People of Color (PoC) kannten. Sie ließen es sich dennoch nicht nehmen, den „umgekehrten Rassismus“ anzuprangern und dass Weißen ja ständig vorgeschrieben werde, was sie sagen dürften. Dabei habe man nur eine andere Meinung, die diese PoC partout nicht zulassen wollten.

Menschen, die so argumentieren, sind vom gleichen Schlag wie diejenigen, die in einer Diskussion über sexuelle Belästigung einer Frau sagen, dass sie sich bitte nicht so anstellen, sich doch stattdessen lieber geschmeichelt fühlen solle von den Avancen. Mit dem Nebensatz, dass man da Expertise vorweisen könne, weil man immerhin auch eine Frau kenne. Aber diese Männerfeindlichkeit! Man könne die Männer ja nicht immer weiter einschränken, immer werde ihnen vorgeschrieben, was respektvoll ist. Und, immerhin: Es sei ja alles schon viel besser als früher.

Rassismus ist keine Meinung

Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, hat ein US-Bürger namens Don Christy für die Feiertagsparade in Sheridan im Bundesstaat Indiana ein Golfcart zu einem Umzugswagen umgebaut. Damit fuhr er einen winkenden Pappmaché-Obama durch die Menge, der aus einer Kloschüssel herausragte und vor dem ein Schild hing: „­Lying African“. Christy sagte später, dass er ein Unterstützer von Donald Trump und ein Patriot sei und dass er am Unabhängigkeitstag eben ganz unabhängig seine Meinung sagen wollte. Er fände seinen Wagen witzig.

Die Krux an der Sache ist: Rassismus ist keine Meinung. Hass ist keine Meinung. Ausgrenzung ist keine Meinung. Vorsätzliche Beleidigung ist keine Meinung und fehlende Höflichkeit auch nicht. Genauso wie Homophobie, Transphobie, Body­shaming (negative Beurteilung von Körpern) oder Frauenfeindlichkeit keine Meinungen sind. Meinungen sind: Blau ist eine schöne Farbe. Der Kaffee schmeckt scheußlich. Dieser Politiker weiß, wovon er redet. Oder: Die Erde ist flach. Gut, Letzteres lässt ziemlich tief blicken – aber bitte, jeder, wie er meint.

Der Mythos vom „umgekehrten Rassismus“

Der US-Schauspieler und „Black Lives Matter“-Unterstützer Jesse Williams hatte im Juni eine Auszeichnung für sein humanitäres Engagement verliehen bekommen und hielt bei der Preisverleihung eine leidenschaftliche Rede über die Unterdrückung der Schwarzen Menschen in den USA, die Teilung des Landes und die Armut, die System habe. Er wolle die Freiheit nicht irgendwann, er wolle sie sofort, sagte Williams.

Nun gibt es eine Petition, die darauf abzielt, dass er seine Rolle in der TV-Ärzteserie „Grey’s Anatomy“ verliert. Die Begründung? „Umgekehrter Rassismus.“ Williams sei in seiner Rede auf Weiße und auf Polizisten losgegangen.

Doch umgekehrter Rassismus ist ein Scheinargument. Er existiert nicht, denn Rassismus ist eine über Jahrhunderte gepflegte gesellschaftliche Struktur, die PoC von Kindesbeinen an und in allen Lebensabschnitten begegnet. Der Vorwurf des umgekehrten Rassismus suggeriert, man würde selbst an Gleichheit glauben. Gleichzeitig vollzieht er einen Wechsel von der Täter- in die Opferrolle und zielt im Grunde darauf ab, die eigenen Privilegien zu erhalten, indem man jegliche affirmative Maßnahmen, die Ungleichheit und Teilung aufheben sollen, fortlaufend kritisiert.

Einer der nachklingendsten Sätze aus Williams’ Rede war sinngemäß folgender: Wenn du kein Interesse an der Gleichstellung von People of Color hat, ist das okay, aber dann sag nicht denen, die ein Interesse daran haben, was sie deiner Meinung nach tun sollen.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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7 Kommentare

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  • Der Artikel suggeriert aber, dass kein Rassismus von Schwarzen (oder PoC wie es so schön genannt wird) möglich ist. Diese Aussage ist allerdings schlicht und ergreifend falsch.

    Auch PoC können von der Überlegenheit schwarzer Menschen überzeugt sein, auch Frauen können davon ausgehen, dass eine Frau qua Geschlecht besser und intelligenter als ein Mann ist.

    Natürlich sollte man hier keinen Tausch der Opferrollen vornehmen. Aber wenn ein PoC sagt, dass seine "Rasse" den Weißen überlegen ist, dann ist das genauso falsch, wie ein Nazi der von der Herrenrasse spricht.

    Rassismus und Sexismus gilt es zu verurteilen, ganz gleich von wem er kommt. Eine Empowermentbewegung, die auf die Umkehrung der bisherigen Verhältnisse abzielt, ist genauso im Unrecht wie der Rassist, welcher den Status Quo aufrechterhalten will.

    • @Johannes Hartmann:

      @Johannes Hartmann - Zu behaupten, es gäbe so etwas wie umgekehrten Rassismus ist "schlicht und ergreifend falsch". Rassifizierung/Rassismus ist ein Werkzeug der Herrschenden/ der die Macht inne Habenden.

      Persönlich davon überzeugt zu sein, *man* wäre dem oder der auf Grund unveränderbarer Merkmale überlegen, ist eine Meinung. Eine Meinung die solange irrelevant ist, solange sie nicht mit Macht und den die Macht erhaltenden Strukturen einhergeht.

       

      Johannes Hartmann, Sie sollten dringend ein paar für das Thema relevante Bücher lesen, um (wenn Sie es tatsächlich anstreben) Rassismus zu dekonstruieren und an dessen Abschaffung mitzuwirken ...

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Johannes Hartmann:

      Rassismus bedarf einer geschichtlichen Grundlage. Die ist nur dann gegeben, wenn sich die betroffenen Gruppen in einem starken Ungleichheits- und Dominanzverhältnis befunden haben.

      Die Unterdrückten können durchaus abwehrende Einstellung gg. den (ehemaligen) Mastern annehmen, aber platt gesagt, solange die Schwarzen sich die Weißen nicht als Sklaven halten, wird kein echter schwarzer Rassismus draus.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Für mich wenig nachvollziehbar. Ja sicher kann man in gewissem maße Verständnis dafür haben, wenn Rassismusopfer selbst mit rassistischen Äußerungen daher kommen, aber das macht sie damit nicht besser.

         

        Ich wurde z.b. im Netz bereits von einer anonymen Person aufs übelste beschimpft weil ich einen Arabischen Nickname habe. Terrorist, Kinderficker etc. Ich habe darauf nur erwieder das er ein ekelhafter Rassist sei, und er antwortete darauf das er selbst Schwarzer sei, und damit kein Rassist sein könne. Dieses Argument habe ich in der Zeit sehr oft gehört. Auch, wenn ich aufgrund meiner Herkunft als Deutscher aufs übelste beschimpft wurde, kam bereits entsprechender Kommentar. ich konnte natürlich nicht nachvollziehen ob mein gegenüber wirklich dunkelhäutig war, spielt aber für das Statement jetzt keine wirkliche Rolle.

         

        Auch habe ich sehr oft Menschen erlebt die selbst garantiert viel Rassistische Erfahrungen gemacht haben müssen, aber selbst aufs übelste gegen Araber gehetzt haben. U.a. Deutsche mit russischer oder türkischer Abstammung. Wie oft habe ich schon gedacht, das die Sprüche genau die selbe rassistische Kackscheiße war und ist, die denen selbst schon entgegen gebracht worden sein muss. Die Ressentiments und Vorurteile kamen mir jedenfalls sehr bekannt vor.

         

        Dies ist meiner Meinung nach aber kein umgekehrter Rassismus. Dies ist schlicht Rassismus. Und ich glaube genau das wollte Johannes damit sagen, das eine nicht weiße Hautfarbe einen nicht automatisch davon befreit Rassistisch sein zu können.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Hauke von Bergen:

          Ich glaube nicht, dass der Hass der sich aus der eigenen Unterlegenheit entwickelt dem wahren Rassismus gleicht. Er ist im Ausdruck oft nicht besser, er manifestiert sich vielleicht mal ähnlich, ihm fehlt aber diese 100%-ige Überzeugung von der eigenen biologisch-kulturellen (beides wichtig) Überlegenheit.

    • @Johannes Hartmann:

      Was du schreibst ist zwar richtig, auch PoC, Frauen, Homosexuelle können rassistisch, sexistisch wasauchimmeristisch sein. Aber darum ging es in der Debatte gar nicht. Ich finde auch die Stelle nicht, in der die Autorin behauptet, Rassismus von und durch Marginalisierte sei unmöglich.

      So recht Du mit deiner Grundaussage auch hast, das Argument ist hier fehl am Platz.

    • @Johannes Hartmann:

      Du solltest dich vielleicht nochmal mit Rassismus beschäftigen und was Rassismus bedeutet.