Kolumne Der Zuckerberg | Teil 24: Warum likt ihr das? Erklärt euch!

Das Anpissen nach dem Motto „Wer das likt, ist doof“ legt die Diagnose „Akute Schlechtgeficktheit“ nahe. Das muss nicht unbedingt ein Makel sein.

Cartoon: Menschen sitzen vor Computern, in den Sprechblasen steht „Blah“ und „rah“

Mittels Tagging werden Leute zur Rede gestellt, nur weil sie einen Kommentar gelikt haben Foto: taz

Facebook. Ein alter Hut, doch mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Pracht von Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen.

Schon wieder werde ich ungewollt Zeuge eines der bizarrsten Trends im bunten Affenzirkus Facebook: Mittels Tagging werden Leute öffentlich zur Rede gestellt, nur weil sie einen Kommentar gelikt haben, der den eigenen Ausgangspost in irgendeiner Form kritisiert. Doch die Verräter haben die Rechnung ohne den Spaltenwart gemacht: Warum likt ihr das? Ihr zwei! Erklärt euch! Mit einer Schafsgeduld legen die Zurechtgewiesenen vorm virtuellen Lehrerpult Rechenschaft über ihr Tun ab. Das könnten sie sich auch sparen, denn an ihrer Meinung ist man gar nicht interessiert.

Symptome wie das Anpissen über Bande nach dem Motto „Wer das likt, ist doof“ legen die Diagnose „Akute Schlechtgeficktheit“ nahe. Das muss nicht unbedingt ein Makel sein. Einige meiner besten Freunde sind schlechtgefickt und begreifen das sogar als Chance. Sie zeigen mit ihrem Beispiel, dass man Schlechtgeficktheit mit Würde tragen kann, das ging ja früher auch. Dann aß man halt mehr, denn eine Befriedigung ist im Grunde wie die andere. So behielt man seine Unabhängigkeit und stempelte sich nicht zum bedauernswerten Opfer. Doch auf einmal wollen alle Schlechtgefickten Incels sein, als wäre das was Besseres – die klassische Falle des Fremdworts.

Rassismus gegen Weiße, Sexismus gegen Männer und Tierquälerei gegen Menschen sind für sie die Probleme unserer Zeit. Dass wir uns in diesem reichen Land zum Teil weder Wohnung noch Zähne leisten können – scheißegal, die Verteiler des Wohlstands werden sich schon was dabei gedacht haben, die sehen schließlich aus wie wir: Gottes Ebenbild mit Tränen-, Bauch- und Hodensäckchen.

Eine bessere Welt

Gewiss schilt man mich nun wieder des Whataboutisms. So nennt man das in diesen prä­apokalyptischen Zeiten, da Hochgeschwindigkeitszüge durch in den Thüringer Wald gesprengte Tunnel katapultiert werden; viel zu schnell, als dass die Seele dem Reisenden noch folgen kann. Klar, könnte man statt Whataboutism weiterhin „reines Ablenkungsmanöver“ oder „Äpfel mit Birnen vergleichen“ sagen. Nur würde das dann eben nicht mehr wie ein Songtitel von Rod Stewart klingen, und darum geht es schließlich in einer besseren Welt, in der Ungebildete ohne Kenntnisse in Kirchenbulgarisch auf ihre Plätze verwiesen werden.

Whataboutism geht jedenfalls gar nicht, das ist ganz evil: So wäre es die Mutter aller What­aboutismen, auf einen völlig dämlichen Beitrag hin zu antworten: „Bist du bescheuert?“ Denn das ist eine unzulässige Gegenfrage, die nur ablenken soll, indem sie nicht auf das Argument der anderen eingeht. Korrekt wäre hier vielmehr: „Das ist ein völlig dämlicher Beitrag!“ Sachbezogen, analytisch und hart am Wind.

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