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Kolumne Das SchlaglochOffizieller Aufrüster der WM

Kolumne
von Ilija Trojanow

Der deutschen Rüstungsindustrie geht es auch in der Krise weltmeisterlich gut. Und mit Schulden lässt sich alles erreichen.

F olgende epochale Rede unseres Außenministers Guido Westerwelle, gehalten im Poseidon-Tempel zu Athen im Februar dieses Jahres, ging im finanzmerkelischen Trubel der letzten Monate leider unter. Sie sei hiermit nachgereicht:

"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Hellenen, wir sind in einer Schicksalsgemeinschaft. Gemeinschaft bedeutet Solidarität, Solidarität besagt Mitgefühl, Mitgefühl beinhaltet Mitsparen, Mitsparen bedingt Opfer auf beiden Seiten - und diese Opfer wollen wir tapfer tragen.

Aber doch nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten - oder, anders formuliert, die Fregatte mit dem Sparpaket untergehen lassen. Uns verbindet doch eine gegenseitige Anziehung. Wir haben schöne Waffen, Sie haben schöne Menschen. Wir haben schnieke U-Boote der Klasse 214 mit Brennstoffzellenantrieb, Sie haben die Akropolis. Wir haben blitzschnelle Mehrzweckkampfflugzeuge der Marke ,Eurofighter Typhoon', Sie haben Tsatsiki. Wir haben potente Kampfpanzer des Typs ,Leopard 2' mit 120-Millimeter-Glattrohrkanonen, Sie haben Sirtaki. Wir haben, was Sie nicht brauchen, und Sie haben kein Geld. Da heißt es, zusammenzustehen.

Ilija Trojanow

ist Schriftsteller und Weltensammler. Zuletzt veröffentlichte er gemeinsam mit Juli Zeh: "Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte" (Hanser Verlag, 2009)

Wir werden Sie nicht verhungern lassen. Uns eint - ich habe es ja schon vorhin unmissverständlich deklariert (verzeihen Sie, dass an diesem geschichtsträchtigen Ort die rhetorischen Gäule mit mir durchgehen) - eine Schicksalsgemeinschaft, die wahrhaftigste aller Schicksalsgemeinschaften, jene zwischen Verkäufer und Käufer. Was könnte heiliger sein? Mögen die Zahlen für sich sprechen: 13 Prozent unserer Waffenexporte gehen an Sie, liebe Hellenen, kein anderes Land wird von uns großzügiger bedacht - nur die Türkei erhält 14 Prozent, ein klitzekleines bisschen mehr. Sie haben bestimmt Verständnis dafür: die Nato hat den Zweck, Krieg nach außen zu tragen und zwischen Mitgliedsländern zu verhindern. Diesem Anspruch genügen wir, in dem wir durch paritätische Abschreckung vorbeugen.

Seien Sie unbesorgt, wir lassen Sie in dieser historischen Sekunde nicht im Stich. Wir sind in Europa die größten Exporteure, Sie sind die größten Importeure - unsere Verbindung ist von den Göttern gestiftet worden. Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen ihrer großen Vordenker zu zitieren: ,Wenn ein Mensch behauptet, mit Geld lasse sich alles erreichen', schrieb einst Aristoteles, "darf man sicher sein, dass er nie welches gehabt hat.'

Wie wahr, liebe Freunde. Wir wissen es besser: mit Schulden lässt sich alles erreichen. Und bei wem verschuldet man sich lieber, wenn nicht bei seinem treuesten Waffenlieferanten?

Deswegen erkläre ich ohne Wenn und Aber: wir lassen Sie nicht im Regen stehen. Sie können weiterhin bei uns anschreiben. Und weil es gute Sitte ist, sich in diese mächtigen Säulen einzukritzeln, will ich hier, neben dem Namen von Lord Byron, der einst für Ihre Freiheit gekämpft hat, als Bürge ihrer zukünftigen Sicherheit festhalten: 6 x U 214 = 3.000.000.000 Euro. Denn, wie wir zu Hause so gerne sagen: Geteiltes Sparen ist doppelte Freude."

Liebe Leserinnen und Leser, Sie werden sich vielleicht wundern, wieso Ihre tageszeitung Ihnen diese Rede vorenthalten hat. Die Antwort erhalten Sie, wenn Sie bei "google news" die Stichworte "Griechenland Rente" eingeben. Sie werden auf etwa 900 Treffer verwiesen werden. Suchen Sie hingegen nach "Waffenexporte Griechenland", werden Ihnen ganze zwölf Treffer angeboten. Die Medienmeinung hat sich offensichtlich darauf eingeschossen, in den viel zu hohen griechischen Renten einen Verursacher der Schuldenkrise zu entlarven - und nicht in dem aufgeblähten und überflüssigen Militärapparat. Deswegen kursieren selbst in seriösen Publikationen absurde Behauptungen - etwa, dass der gemeine griechische Rentner bislang 95 Prozent seines letzten Nettogehalts als Rente bezogen habe. Die Fußnote, dass sich diese Angabe allein auf das Grundgehalt im öffentlichen Dienst beziehe, ohne Hinzuziehung jedweder Zuschläge, ist eingespart worden. Ebenso der Hinweis darauf, dass die Griechen erheblich weniger Rente erhalten als die Deutschen und auch nicht, wie oft behauptet wird, im Durchschnitt früher pensioniert werden. Wer was zahlen soll, ist umstritten. Einvernehmen herrscht aber darüber, dass ohne unsere Rüstung nie wieder ein Krieg ausgehen soll.

Wissen Sie übrigens, wer der drittgrößte Abnehmer deutscher Waffen ist? Ja, die Nation der Bafana Bafana, der Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft 2010: Südafrika. Ein Land, das zwar zehnmal so viele soziale Probleme hat wie Griechenland, dafür aber keine natürlichen Feinde (es grenzt nur an Namibia, Botswana, Lesotho, Swaziland und Mosambik).

Charme deutscher Fregatten

Wenn sich die Südafrikaner eine gute Schlacht gönnen wollten, müssten Sie einen Ozean überqueren. Vielleicht bestellt die südafrikanische Marine daher eifrig bei "ThyssenKrupp Marine Systems". Regiert wird das Land übrigens von einem Mann, Präsident Jacob Gedleyihlekisa "Msholozi" Zuma, der seine privaten Finanzen an Geschäften mit französischen Fregatten gesundgestoßen hat.

Immerhin muss man sich keine Sorgen mehr um die Sicherheit der Weltmeisterschaft machen. Die südafrikanischen Organisatoren haben sich resolut am Riemen gerissen und unter anderem einen 10-Kilometer-Polizeikordon um das Moses-Mabhida-Stadion in Durban zugesichert (das atemberaubend schöne Stadium ist vom deutschen Architektenbüro gmp projektiert worden). Afrikanische Elemente werden zurückgedrängt - so auch die Frauen, die normalerweise vor den Stadien pap (Polenta) and vleis (Fleisch) verkaufen. Stattdessen lässt die Fifa für viel Geld aus Deutschland importierte Markisezelte von einer deutschen Baufirma aufstellen.

Vor dem ersten Spiel am 13. Juni zwischen Deutschland (Siemens) und Australien (66 Milliarden schwerer Auftraggeber; neue U-Boote) werden neben vielen anderen paramilitärischen Einschüchterungen "Überflüge von Kampfflugzeugen" garantiert.

Und das Motto der WM wird lauten: Zu Gast bei guten Kunden.

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2 Kommentare

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  • N
    Nikos
  • PP
    Peter Panther

    Super Geschichte, Ilja, wirklich!

     

    Schade nur, dass die Fakten nicht ganz hinhauen. Vielleicht ist die Achse Moskau-Berlin doch ein bisschen weit weg von Afrika, aber ein paar geografische, geschichtliche, und allgemeine Kenntnisse hätten auch bei dieser Geschichte nicht geschadet.

     

    Oder vielleicht doch, weil sie damit der Kolumne die Grundlage entzogen hätten? Dass der/die zuständige taz-Redakteur diesen alten journalistischen Grundsatz verfolgt, sich eine gute Geschichte nicht durch Recherche kaputt machen zu lassen, kann man ja vielleicht verstehen. Aber der Grossschriftsteller?

     

    Also langsam zum mitschreiben:

    1. Südafrika hat eine Küste von 3 500 km Länge, die zu den am stärksten befahrenenen Seewegen der Erde gehört (man erinnere nur an das ganze schöne Öl auf dem Weg vom Golf nach Nordamerike - wie heissen die grossen Tanker wieder? Richtig! Cape Size - also Kapgrösse, weil sie nicht durch den Suezkanal passen).

     

    2. Dann hat Südafrika mit dem Hafen Durban den grössten maritiminen Umschlagplatz Afrikas. Hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft Südafrikas die grösste des Kontinents ist - es werden zB VW, BMW und Mercedes in Südafrika gebaut.

     

    3. Vier Fregatten und drei U-Boote bei einer solchen Aufgabe sind vielleicht nicht ganz so viel - oder sollte die Deutsche Marine mit den Amerikanern die Patrouillien am Kap übernehmen?

     

    4. Oh, und dann gibt es das friedliche Nachbarland Simbabwe, das bei Iljas Aufzählung leider ganz fehlte - wohl weil die Jungs dort seit Jahren an dem Bürgerkrieg im benachbarten Kongo beteiligt sind? Als Mitagressoren? Oder weil er das stabile, demokratische Nachbarland schlicht vergessen hat?

     

    5. Apropos Souveränität: wäre es besser die Fusballweltmeisterschaft (die übrigens Wachstum im gerade abgelaufenen Vierteljahr von 4.6% mit sich gebracht hat) von asuländischen Kräften schützen zu lassen? Welche denn, Herr Trojanow? Deutsche? Russische? Amerikanische?

     

    Nächstes Mal neben der Recherche vielleicht weniger Überheblichkeit den Afrikanern gegenüber rät ein Verehrer Ihrer Berlin-Schriften (davon scheinen Sie ja etwas zu verstehen, schliesslich liegt es vor der Haustür).