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Kolumne Das SchlaglochGlobalisierung auf Bambara

Kolumne
von Ilija Trojanow

Der Alltag in Mali wird immer stärker von Einflüssen aus aller Welt geprägt

E s war so heiß in Mali, es blieben nur einzelne Eindrücke hängen. Dann war es so heiß in Deutschland, die Fragmente fügten sich nicht zu einem sinnvollen Ganzen.

Wo geht das steril Globale in das spezifisch Lokale über? An welcher Stelle trifft man auf die Wucht des Einheimischen? In Bamako schon in der Ankunftshalle des Flughafens. Sie ist einfach, bescheiden, fast kärglich, der Empfangsraum einer Mangelwirtschaft, zu eng für die Schar der Heimkehrer. Viel Trubel, keine Aggression.

Draußen steht ein Baum, davor ein Stuhl, darauf ein Schild: "Taxi". Als wäre man irgendwo auf dem Land zwischen zwei Orten, die sich ungern miteinander verbinden lassen.

An einer Ampel in Bamako warten einige Frauen mit Zwillingen. Einige der Kinder stehen unsicher auf krummen Beinen, andere tollen selbstbewusst herum, bis das Rotlicht aufscheint, sie von ihren Müttern an der Hand genommen werden und nach vorn treten, damit die Autofahrer sie erblicken und etwas spenden. Wer in Mali Zwillinge gebärt, kann das in kleine Münze umwandeln, denn ihr Anblick gilt als segensreich.

Siegeszug der Chinesen

Wie fast überall auf dem afrikanischen Kontinent entstehen auch hier große Neubauten: eine neue Brücke über den Niger in der Hauptstadt, ein Staudamm nahe Gao - mit Hilfe des chinesischen Staates, durchgeführt von chinesischen Facharbeitern.

Im Windschatten der Ingenieure kommen chinesische Händler und Heiler ins Land. Sie schauen sich um, orientieren sich schnell, passen sich an. Sie lernen Bambara, die einheimische Lingua franca, damit sie auf dem Markt handeln können, und leben in einem einheimischen quartier (nicht, wie die Europäer, im Villenviertel).

ILIJA TROJANOW

ist Schriftsteller und Weltensammler. Zuletzt veröffentlichte er gemeinsam mit Juli Zeh: "Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte" (Hanser Verlag, 2009)

Die Chinesen sind sparsam, fleißig und beliebt bei den Maliern, denen sie auch ein wenig unheimlich sind, weil sie ihre Zurückhaltung nie aufgeben. Sie verfahren nach dem Gemeinwohlprinzip: "Keiner soll verkommen".

"Es geht in Afrika vor allem um Respekt, und zwar mit einem rollenden Rrrrrrr", sagt ein deutscher Entwicklungshelfer, "und den erweisen die Chinesen den Afrikanern. Ihre Bescheidenheit kommt gut an. Die Malier fragen sich: Wozu brauchen wir einen französischen Ingenieur, der nach einem großen Haus, einem Auto mit Chauffeur und Dienstboten verlangt, im Monat also mindestens zehntausend Euro kostet, wenn wir für diesen Betrag zehn Chinesen haben können, die als Profis keinen Deut schlechter sind als die Europäer?"

Auf Bambara gibt es geschlechtsspezifische affirmative Erwiderungen: Die Männer sagen zu Frauen "Mba" (was wortwörtlich "meine Mutter" bedeutet). Die Frauen hingegen sagen zu den Männern "Nse" (was wortwörtlich "ich kann, ich bin in der Lage" bedeutet, und somit impliziert, zu gebären, zu ernähren, zu dienen).

Japanisches "Wasserschloss"

Auch in Mali herrscht das Klientelprinzip vor. Als erfolgreicher Mensch hat man sich um seine Nächsten, seine Freunde, seine Großfamilie, seinen Clan, sein Dorf zu kümmern. Das ist einerseits eine enorme Belastung, andererseits aber auch eine Ehre.

Es gilt als Statussymbol, viele Menschen versorgen zu können. Besserverdienende geben dreißig Prozent ihres Gehalts für bedürftige Familienangehörige aus. Wer sich weigert, etwas abzugeben, wird ermahnt, beschimpft und unter Umständen sogar bekämpft. Der schlimmste Vorwurf lautet dann: "Du bist ein Weißer geworden."

Die Wasserversorgung in einem Mittelklasseviertel Bamakos hängt von einem festungsartigen Speicher ab, genannt grand château deau, spendiert vor einigen Jahren von den Japanern. Die Wasserleitungen führen nur hinab, so dass die Bewohner des Hügels oberhalb des Speichers ohne Wasserzufuhr bleiben.

Die Frauen müssen täglich ihre 20-Liter-Kanister an den öffentlichen Wasserhähnen weiter unten füllen und dann wieder hinauftragen. Nach einigen Monaten bekommen sie heftige Rückenschmerzen. Manch eine Familie zieht wieder weg, weil die Frauen es nicht mehr schaffen, die vollen Kanister täglich mehrmals hinaufzuhieven. Am Wasserhahn sitzt ein Mann und verkauft das Wasser.

Keine hundert Meter vom château entfernt hat sich ein Millionär eine Villa errichten und eine eigene Wasserleitung legen lassen. Statt alle Nachbarn ans Wassernetz anzuschließen, spendiert er ihnen als Wasserfürst sonntags kostenlos Wasser, das die Frauen allerdings wieder unter Schmerzen hinauftragen müssen.

Der Niger ändert seinen Verlauf, schreibt unstete Botschaften in den Sand. Am Ufer ein Patchwork aus trocknender Kleidung. Riedhütten für Fischer, kaum größer als Korbstühle, saisonal am Fluss errichtet, zum vorübergehenden Aufenthalt. Nilpferde liegen im Wasser wie Baumstämme. Ein Reiher hockt auf einer toten Kuh.

In jedem Dorf eine Moschee, ein lehmiger Fingerzeig gen Himmel. Eine davon mit acht Spitzen, wie acht auf den Kopf gestellte Ausrufezeichen. Oft wirken sie überdimensioniert, als seien die guten Absichten einiger Generationen aufgetürmt worden. Die nächstgrößere Erhebung ist meist ein Termitenhügel.

Gaddafis gefährlicher Kanal

Nach Timbuktu fährt man ein auf einer Eukalyptusallee, die Kronen der Bäume neigen sich schattenspendend, die Straße ist asphaltiert. Einige Kilometer vor der Stadt überquert man einen befestigten Kanal, spendiert von Oberst Gaddafi. Er ist etwa fünf Meter tief, die Seiten so steil und so glatt, dass jeder, der hineinfällt, nicht mehr herauskommt. Manch ein Einheimischer ist so schon ertrunken.

Im Gymnasium - nach französischem Vorbild: le lycée - wird nur Weltgeschichte unterrichtet. Für Malis Geschichte ist die Grundschule zuständig. In den Klassen sitzen bis zu sechzig Schüler. Kaum eines der Mädchen trägt Kopftuch: die meisten sind westlich angezogen, manche tragen aufreizend enge Jeans, knallige Tops und Stöckelschuhe oder haben ein Tuch eng um die Hüfte geschlungen.

Ein Schüler kommentiert spöttisch, die Mädchen seien dumm, denn sie wollten alles nachmachen, was sie in amerikanischen Filmen sähen. Da meldet sich sein Handy, und als Klingelton ruft Obamas Stimme: "Yes, we can!"

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4 Kommentare

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  • S
    Schueffelgen

    Kapitalismus führt zur Verelendung eines Teils der Gesellschaft und der Welt. Der Artikel ist das Sprachrohr.

    Der Verelendung kann nur radikal oder durch Transferleistungen der Willigen begegnet werden, die höher ausfallen müssen als der sonntägliche Wasserspender.

    Beides bedeutet Verzicht auf materielle Güter, ist ein Kontinuum derselben Richtung: Transferwillige sind antikapitalistisch in einem antikapitalistischen Kontinuum. Verzicht auf materielle Güter und

    Gegenwert

    ist Freundschaft mit Gott …..u.a….! Der Gegenwert ist Wertschätzung!

     

    Bambara Geschichte

    der Artikel ergänzt supermäßig zeitnah aktuell

     

    http://en.wikipedia.org/wiki/Bambara_people#History

     

    und man hofft, dass eine Wasserträgerins Clan Figuren schnitzt!

     

    http://www.ebay.de/itm/Bambara-Figur-Mali-stilistischer-Typizitat-/170702047204?pt=Internationale_Antiq_Kunst&hash=item27bea287e4

  • HB
    Herbert Braun

    (Bitte entschuldigen Sie meine orthographischen Fehler in meinem ersten Kommentar. Deshalb versuche ich es nochmals, voilà ...)

     

    Hallo Herr Preissler,

     

    zunächst mal herzlichen Dank dafür, dass Sie just diese Passage kritisieren ; in der Tat, das was hier der Autor (den ich ansonsten schätze) von sich gibt, ist schierer Humbug ...

     

    Die affirmative Erwiderung im Bambara für männliche Personen ist "nba", gesprochen [mba], und ist nichts anderes als eine Kontraktion des Wortes "marahaba", welches, das sieht sogar ein Blinder !, aus dem Arabischen stammt (transkribiert als "marhaba") und "Willkommen" bedeutet ; Ihre Begründung ist insofern nicht richtig, als Sie hier fälschlicherweise das Maninka (Malinke ist ein idiotischer, weil nichtssagender Begriff), das im nördlichen Guinea bzw. in der Region Malis südlich Bamakos bis zur guineischen Grenze gesprochen wird, einbringen und dabei "na" gegen "ba" stellen. Auf Bambara heißt "Mutter" nichts anderes als "ba" ... Glauben Sie mir das einfach mal. Ich habe Bambara gelernt, spreche es und habe auch meinen Studienabschluss über ein grammatikalisches Phänomen dieser Sprache gemacht. Ich bin Mandeist ...

     

    Leider weiß ich nicht genau Bescheid bzgl. des weiblichen Pendants von "nba", nämlich "nse". Aber ich wage zu behaupten und bin mir zu 95% sicher, dass sich auch hier Trojanow gehörig irrt ... Einmal, es gibt mindestens zwei (intransitive) Verben "se", sie sind homonym und beide hochtonig, nämlich ein "se", das "können, fähig sein bzw. Fähigkeit" bedeutet, aber es gibt auch ein "se", welches "ankommen, eintreten bzw. Ankunft" bedeutet. Ein einfacher intransitiver Satz wie "n se" kann also "ich habe gekonnt" bedeuten, aber auch "ich bin angekommen". Es handelt sich bei diesen beiden Sätzen um solche, die im Perfektiv stehen. Und wenn der Autor schreibt "was wortwörtlich 'ich kann, ich bin in der Lage' bedeutet, und somit impliziert, zu gebären, zu ernähren, zu dienen", dann frage ich mich allen Ernstes, ob sich Herr Trojanow malische Frauen nur als Gebärmaschinen bzw. Familienglucken vorstellen kann, auch wenn dieses "Bild" gut zu seiner Interpretation von "nse" passen mag ... Grauenhaft !

     

    Das Maninka wie das Bambara gehören zu einem Dialektkontinuum von 40-50 Sprachen (deren Verstehbarkeit teilweise sehr divergiert), dem sog. "Manding". Das Manding wiederum gehört zum West-Zweig der sog. MANDESPRACHEN. Die bekannteste und auch die mit der größten Sprecherzahl ist das Bambara, das in Mali als Erst- wie als Zweitsprache von ca. 80% der Bevölkerung gesprochen wird. In ihrer Funktion als lingua franca ist sie von großer Bedeutung, gerade in einem multilingualen Land, wie es Mali ist.

     

    Ali ka tile hèrè la, hgb

  • HB
    Herbert Braun

    Hallo Herr Preissler,

     

    zunächst mal herzlichen Dank dafür, dass Sie just diese Passage kritisieren ; in der Tat, das, was hier Trojanow (den ich ansonsten schätze) schreibt, ist schierer Humbug ...

     

    Die affirmative Erwiderung im Bambara für männliche Personen ist "nba", gesprochen [mba] und ist nichts anderes als eine Kontraktion des Wortes "marahaba", welches, das sieht sogar ein Blinder !, aus dem Arabischen stammt (transkribiert als "marhaba") und "Willkommen" bedeutet ; Ihre Begründung ist insofern nicht richtig, als Sie hier fälschlicherweise das Maninka (Malinke ist ein idiotischer, weil nichtssagender Begriff), das im nördlichen Guinea bzw. in der Region Malis südlich Bamakos bis zur Grenze nach Guinea gesprochen wird, einbringen und "na" gegen "ba" stellen. Auf Bambara heißt "Mutter" nichts anderes als "ba" ... Glauben Sie mir das einfach mal. Ich habe Bambara gelernt, spreche es und habe auch meinen Studienabschluss über eine grammat. Phänomen des Bambara gemacht. Ich bin Mandeist ...

     

    Leider weiß ich nicht genau Bescheid bzgl. des weiblichen Pendants von "nba", nämlich "nse". Aber ich wage zu behaupten und bin mir zu 95% sicher, dass sich auch hier Trojanow gehörig irrt und völligen Schwachsinn von sich gibt (kaum zu glauben, aber wahr ! Bekommt man für einen solchen M... eigentlich Geld ?!) ... Einmal, es gibt mindestens zwei Verben "se", sie sind homonym, nämlich ein "se", das "können, fähig sein" bedeutet, aber es gibt auch ein "se", welches "ankommen" bedeutet. Beide Verben sind intransitiv, d.h. "n se" kann "ich habe gekonnt" bedeuten, aber auch "ich bin angekommen". Es handelt sich bei diesen beiden Sätzen um solche, die in der perfektiven Form stehen. Und wenn ich lese "was wortwörtlich 'ich kann, ich bin in der Lage' bedeutet, und somit impliziert, zu gebären, zu ernähren, zu dienen", dann wird mir speiübel ... Herr Trojanow kann sich malische Frauen wohl nur als Gebärmaschinen bzw. Familienglucke vorstellen, grauenhaft !

     

    Das Maninka wie das Bambara gehören zu einem Dialektkontinuum von 40-50 "Sprachen" (deren unterschiedliche Verstehbarkeit sehr divergiert), dem sog. "Manding". Das Manding wiederum gehört zum West-Zweig der sog. Mandesprachen. Die bekannteste und auch die mit der größten Sprecherzahl ist das Bambara, das in Mali als Erst- wie als Zweitsprache von ca. 80% der Bevölkerung gesprochen. Sie ist eminent wichtig als lingua franca in einem multilingualen Land, wie es Mali ist.

     

    Guten Tag, hgb

  • DP
    Daniel Preissler

    Netter Kommentar, cool!

    Ich denke allerdings nicht, dass "nba(a)" -gesprochen:mbaa- (was Männer in Teilen Malis und Guineas auf Gruß und Dank antworten) von "nba" = "meine Mutter" kommt. Auf malinke (einer so eng verwandten Sprache, dass manche behaupten, es handele sich um Dialekte einer einzigen Sprache) gibt es "nba" ebenfalls, Mutter heißt jedoch "na", meine Mutter "n'na". Eine adäquate Übersetzung zu finden, ist wohl schwer. Nba wird häufig wiedergegeben, wenn man mit seinem Familiennamen angeredet wird:

    I Doumbouya/Doumbia - Nba (Du Doumbouya - ja, richtig, das bin ich, so ist es, danke für den Respekt...). Der Familienname kommt vom Vater. Auch die (in Guinea zumindest) alternativ mögliche Antwort: mögöbalu (alte Leute, meint: es sind noch ältere Leute aus meiner Familie da, die mehr Respekt verdienen) bezieht sich auf die Männer.

     

    Danke für die ÜS von "nse", die entsprechende Antwort der Frauen! Deren Alternative bei Namensnennung ist in Guinea "n'ma sörön" (ich habe nicht gehabt/bekommen) und verweist ebenfalls auf ältere in der Familie bzw. nach anderem Verständnis darauf, dass sie ledig sind.

     

    Die auch monetäre Solidarität ist übrigens ein fester Bestandteil des Islam (bei den Christen heißt das dann Nächstenliebe), um auch mal etwas Positives über den Islam zu sagen.

     

    Beste Grüße, Allah kèndè a di d;-)

    dp