Kolumne Blicke: Bad Deutschland
Wer wegen Jörg Fauser nach Bad Harzburg fährt, findet immer etwas zu sehen und zu tun. Sonst ist nicht viel los – macht aber nichts.
S o aufgeregt wie vor meiner Reise nach Bad Harzburg war ich schon lange nicht mehr – nicht nur, aber vor allem doch deswegen, weil in Jörg Fausers nachgelassenem Roman „Die Tournee“ ebendieses Städtchen eine wichtige Rolle hätte spielen sollen.
Und diese Spannung legte sich nicht, als ich die zentrale Herzog-Wilhelm-Straße hoch und runter schlenderte – viel mehr kann man in Bad Harzburg auch nicht machen.
Das ist nun genau so ein Satz, den man spontan hinschreibt, wenn man über die Winterferien in der Provinz war; und der stimmt, aber natürlich auch nicht stimmt.
Und ich meine damit nicht den vorweggenommen Leserbrief aus dem Referat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, der aufzählt, was tatsächlich der „Journalist“ so alles hätte sehen und machen können, in der „de luchse“ Stadt Bad Harzburg.
Der Leserbrief hätte ja recht: Die Luchse haben wir nicht besucht, die Sole-Therme ließen wir unbebadet, und ob die Spielbank und die Wandelhalle mit Trinkbrunnen überhaupt in Betrieb waren - danach haben wir uns, mit vier Kindern im Schlepptau, gar nicht erst erkundigt.
In dieser Logik verbleibend, müssten wir sagen, dass wir eine Stunde auf schlechtem Eis Schlittschuhlaufen waren und dafür mehr bezahlten als im gepflegten Neuköllner Eisstadion; dass das Silberbornbad geschlossen war und man sich im Café Peters keinen Platz für den Verzehr der leckeren Torten aussuchen kann, sondern platziert wird, weil es „noch voll“ wird, was stimmt, wenn man davon absieht, dass zwei große Säle gar nicht erst eingedeckt sind.
Guten Tag bei Edeka
Und man könnte davon ausgehend der Beobachtung Raum geben, dass sich der Bad Harzburger Immobilienmarkt offensichtlich in einer Krise befindet, wenn in dem einstigen Hotel, in dem man wohnt, diverse Ferienwohnungen zum Verkauf stehen und sich in der Lobby eine Spielzeugabholstelle für Familien auf Hartz IV befindet.
Fast könnte man sagen, am wenigsten gäbe es in Bad Harzburg zu sehen, wenn man sich auf dem malerischen Burgberg einfindet.
Denn was mich interessiert, sind ja nicht die mehr oder weniger gelungenen Versuche, ein tattrig gewordenes Kurstädtchen eventmäßig aufzumotzen; was mich interessiert, ist der Gute Tag, den mir eine Angestellte im Edeka zwischen den Regalen wünschte; wären die Sätze der verstummten, die Promenade entlangwandelnden alten Ehepaare – der Mann immer etwas gebrochen hinter der Frau tapernd –, die sie am Tagesende dann vielleicht doch noch austauschen; wäre die Geschichte der kerzengerade hinter ihrem Tresen stehenden Souvenirladen-Inhaberin, immer bereit, eine Kundschaft zu bedienen, die nicht kommt, aber grundmisstrauisch, sobald zwei Achtjährige unangeleint ihr Geschäft betreten.
Es sind die aktuellen Dramen der Provinz und ihre altmodische Höflichkeit, die Bad Harzburg zum Romanort machen könnten. Aber Jörg Fauser konnte „Die Tournee“ nicht fertigstellen, weil er bei einer Auseinandersetzung mit einem Lkw den Kürzeren zog. Und ich: war eben letztlich nur zum prima Skifahren in den Harz gekommen.
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