Kolumne Blagen: Hintern hoch!
Toll, wenn das Kind einen Nebenjob ausübt – doch gibt es dabei durchaus eine gigantische Genderlücke. Wie unsere Nachkommen mit körperlicher Arbeit Geld verdienen.
D ie Einssechzigblondine braucht Geld, um endlich Geld zu verdienen. In ihrer unnachahmlich herzlichen Art fordert sie sechsundzwanzig Euro von mir. Wofür brauchst du die denn?, frage ich. Damit, so ihre Auskunft, werde sie das Fundament für eine große Kellnerinnenkarriere legen. Das Gesundheitsamt fordere zuvor von ihr eine Hygieneprüfung, und die koste eben sechsundzwanzig Eisen.
Ich bin eine große Anhängerin der Kinderarbeit. Statt tagein, tagaus nur in der Schule zu sitzen, der Raucherpause entgegenzujapsen und sich schließlich bis in den späten Abend durch Trash-TV und Facebook zu klicken, gibts doch auch noch was Sinnvolleres als das: körperliche Arbeit, selbst verdientes Geld. Das Yeah!-Gefühl junger Werktätiger.
Die Einssechzigblondine strebt wie gesagt eine Karriere im Gastrobereich an. Neulich erst war sie probearbeiten im Dorfkrug - und was soll ich sagen? Sie hat tatsächlich alles hingekriegt. Hat die Biergläser geschleppt, die Essensbestellungen notiert, die Gerichte auf die Tische gestellt, abkassiert und (große Überraschung!) bei all dem ein Lächeln auf den Lippen getragen. Abends kam sie völlig zerlatscht nach Hause, in ihrer Hosentasche raschelten die Scheinchen.
Nun also die Hygieneprüfung. War ganz einfach, erzählt sie, erst musste sie sich acht Seiten durchlesen, auf denen im Großen und Ganzen stand, dass sie sich nach dem Klo die Hände waschen soll. Und dann wurde das Erlernte noch einmal in einer zwanzigminütigen Filmvorführung vertieft - möglicherweise für jene Köche und Kellner, die es nicht so mit dem Lesen haben.
Die Einssechzigblondine könnte ein suppendes Ekzem haben oder eine chronische Darmerkrankung, das würde keinen interessieren. Sie hat ja acht Seiten gelesen und den Film geschaut und ist damit in die Liga der Hygieniker aufgenommen.
ANJA MAIER ist Redakteurin der sonntaz.
Egal, mich freut, dass sie ihren Hintern hochkriegt und sich am Wochenende was dazuverdient. Das ewige Gejaule wegen Taschengeldknappheit war wirklich nicht mehr zu ertragen. Toll machst du das, lobe ich sie. Daraufhin erklärt sie mir, dass sie ja für eher kleines Geld Bier und Bockwurst schleppe. Im Gegensatz zu ihren männlichen Mitschülern - die würden richtig Kohle machen, hätten ja auch ganz andere Möglichkeiten …
Es dauert ein bisschen, bis ich ihr die Informationen über den Nebenjob ihrer Schulkumpels abgepresst habe. Nun, öhöm, die seien solvente Samenspender. Ejakulatoren für gutes Geld. Dreihundert Euro für zehn Einzelspenden würden sie in den diskreten Kammern einer hauptstädtischen Samenbank verdienen. Wirklich leicht und angenehm verdientes Geld also, unter hygienischen Bedingungen zumal.
Ich kann es nicht fassen. Diese kleinen Jungs, die ich immer mal wieder durch die Wohnung huschen sehe, deren Quadratlatschen den Flur blockieren, sind Samenspender? Die, deren Kotze und Kippen ich schon aus meinem Garten gekärchert habe - das sind Väter in spe? Was sag ich - möglicherweise haben sie ja bereits Nachwuchs. Da klafft doch im Nebenverdienstsegment eine gigantische Genderlücke, denke ich und frage die Einssechzigblondine, ob sie schon mal über Leihmutterschaft nachgedacht hat. (Liebe Leserbriefschreiber! Ich geruhte zu scherzen.)
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