Kolumne Aufm Platz: Wie die Innenpolitiker
Bei der EM in der Ukraine und in Polen wird es nicht viele geben, die ansehnlichen Fußball spielen. Mauern und treten heißt die Devise.
Z um Beispiel England. Von der Mannschaft erwartet kaum jemand etwas bei diesem Turnier. Trainer Roy Hodgson ist erst seit Mai im Amt. Er gilt als systemtreuer 4-4-2-Apologet. Aber wie es nun einmal ist, wenn man nicht die Spieler hat, die man gerne hätte, und wenn die Spieler, die man hat, nicht so gut sind, wie man sie gerne hätte – dann setzt man auf eine konzentrierte Defensive.
So wird die Mannschaft wohl mit einem 4-2-3-1-System auflaufen. Die Doppelsechs, die bei der WM 2006 zum Standard wurde, wird auch die EM 2012 beherrschen. Sicherheitsdenker sind nicht nur die deutschen Innenpolitiker, die Problemfans an die Kandare (Fußfessel) nehmen wollen, auch die meisten Trainer im Weltfußball denken zu erst an die Verhinderung von Angriffen.
Die Engländer werden nicht die Einzigen sein, die ihrer Offensive wenig zutrauen und an die Verstärkung der Defensive denken. Dänen, Ukrainer oder Griechen werden es nicht anders machen. Das Hauptaugenmerk ihrer Trainer gilt der Absicherung. Die Offensivspieler werden in einer gewissen Grundordnung auf den Rasen geschickt. Das kann klappen – auch gegen Mannschaften, deren Trainer sich auf die Suche nach kreativen Lösungen im Angriff bemühen.
ist Sportredakteur der taz und berichtet während der EM aus der Ukraine.
Das sind nicht allzu viele. Die Deutschen – wie vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika – könnten diesmal wieder für die offensiven und ästhetischen Höhepunkte des Turniers sorgen. In der EM-Qualifikation ist es der Mannschaft von Joachim Löw gelungen, auch gegen Mannschaften, die nur verhindern wollten, schön zu spielen. Fast nie waren zu viele Spieler vor dem Ball. Schöne Tore gelangen durch schnelles und präzises Bedienen derer, die aus dem Mittelfeld nach vorne gerannt sind.
Die Erwartungen an die Deutschen sind hoch. Wie mies wären die Rückblicke auf die Wochen in Südafrika ausgefallen, hätte die Nationalmannschaft der Defensivdiktatur, die im Weltfußball herrscht, nicht etwas Ansehnliches entgegengesetzt. Am Ende hat man sich darüber gestritten, ob das, was die Spanier spielen können, nicht noch erotischer war, als die guten Auftritte der Deutschen. Auf den Spaniern ruhen wieder die Hoffnungen auf ein paar herausragende Momente. Der Wettstreit der Offensivsysteme, der Streit zwischen dem zermürbenden Ballbesitzfußball spanischer Prägung mit dem deutschen Balleroberungs- und Tempofußball, sollte idealerweise wieder im Finale ausgefochten werden.
Bis dahin sind vor allem die Mannschaften gefährlich für das schöne Spiel, die sich ihres Drecksackfußballs rühmen. Die offensiv herausragenden Niederländer bauen auf die Abräumer Mark van Bommel und Nigel de Jong. Ein Cristiano Ronaldo kann sich auf die Tritte von Stürmerschreck Pepe verlassen. An dieser Stelle sei ein wenig hoffnungsfroher Ausblick auf die EM gegeben – grauenhafte Szenen inklusive. Es wird gemauert und getreten werden. Ab und zu wird Fußball gespielt werden – vielleicht.
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