Kolumne American Pie: Der prominente Sündenbock
Die Dallas Mavericks schicken Lamar Odom fort, um die Saison zu retten. Dabei bräuchte der schwächelnde NBA-Titelverteidiger einen Profi mit seinen Anlagen.
N ur zur Erinnerung: Die Dallas Mavericks sind der amtierende Titelträger der NBA. Das konnte man in letzter Zeit leicht vergessen. Dirk Nowitzki und seine Kollegen verlieren so regelmäßig ihre Partien, dass an eine erneute Meisterschaft momentan kaum zu denken ist.
Tatsächlich ist sogar die Qualifikation für die Playoffs in Gefahr. Eins ist immerhin sicher: Sollten die Mavs die bereits in zweieinhalb Wochen beginnende K.o.-Runde erreichen, werden sie die Mission Titelverteidigung ohne Lamar Odom in Angriff nehmen müssen.
Am Montag verkündete Donnie Nelson, der Manager der Mavericks, dass der Flügelspieler in den restlichen Saisonspielen nicht mehr eingesetzt werden wird: „Wir hatten das Gefühl, so kurz vor den Playoffs wäre das im Interesse aller Beteiligten.“ Es ist also im Interesse der Dallas Mavericks, auf die Dienste eines Angestellten zu verzichten, der in diesem Jahr mit 8,2 Millionen Dollar entlohnt wird und bei seiner Verpflichtung noch als entscheidendes Puzzlestück einer Titelverteidigung galt.
Odom kam direkt vor der Saison von den Los Angeles Lakers, mit denen der extrem vielseitige Profi zweimal Meister geworden war. Die hatten ihn eigentlich mit Chris Paul von den New Orleans Hornets eintauschen wollen. Als dieser Deal aber von der NBA verhindert wurde, verscherbelten die Lakers den daraufhin grantelnden Odom kurzerhand nach Dallas.
Katastrophale Trefferquote
Der sensible Odom quittierte den ungewollten Wechsel mit schlechten Leistungen. Der 32-Jährige, in der vergangenen Spielzeit noch als bester Einwechselspieler der Liga ausgezeichnet, kam zwar auch für die Mavericks meist von der Bank, spielte aber so wenige Minuten wie nie zuvor in seiner Karriere und erzielte gerade einmal 6,6 Punkte im Schnitt, auch das ein Negativrekord für ihn. Seine Trefferquote war dabei meist so katastrophal, dass das Publikum in Dallas begann, ihn auszubuhen. Er wirkte nicht austrainiert und kam auch niemals in Form.
Thomas Winkler ist Autor der taz.
Odom verkraftete es offensichtlich nie so recht, aus dem glamourösen Los Angeles ins eher provinzielle Dallas verbannt worden zu sein. Noch weniger konnte sich vermutlich seine Gattin mit dem Umzug nach Texas anfreunden. Die heißt Khloe Kardashian und wurde berühmt durch eine Reality-TV-Serie, in der das angeblich so aufregende Promi-Leben ihrer Familie dokumentiert wurde.
Auch die Hochzeit von Odom und Kardashian im September 2009 wurde direkt in die amerikanischen Wohnzimmer gesendet. Seit Odom in Dallas auch von Trainer Rick Carlisle kritisiert wurde, war es vor allem seine Ehefrau, die ihn über Twitter verteidigte. Aber Odom, so formulierte es Manager Nelson, „hatte persönliche Probleme und in unserer jetzigen Situation müssen wir uns auf unsere Leute verlassen können“.
Man kann nun vermuten, die Mavericks versuchen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits haben sie mit der Beurlaubung von Odom einen Sündenbock für die sehr durchwachsenen Leistungen der Mannschaft gefunden. Andererseits hat das Team nun keine Entschuldigung mehr, sollte es in den letzten Spielen tatsächlich die Playoff-Teilnahme verspielen.
Jason Kidd: Ehrenvorsitzender der Seniorentruppe
Das Problem der Mavericks: Odom allein ist nicht schuld an ihrer Misere. Tatsächlich vermissen sie überraschenderweise nicht so sehr Tyson Chandler, den defensivstarken Center, der den Titelgewinn mit einem lukrativen Vertrag bei den New York Knicks versilberte. In der Verteidigung gehören die Mavericks auch ohne Chandler zu den besten Teams der Liga.
Dagegen läuft es aber im Angriff momentan gar nicht gut. Vor allem Jason Kidd, Aufbauspieler und im letzten Jahr noch Ehrenvorsitzender der Seniorentruppe aus Dallas, spielt nun doch seinem Alter entsprechend. Der 39-Jährige war noch nie der Schnellste, aber nun zieht er so gut wie gar nicht mehr zum Korb und wirft fast nur noch aus der Distanz: Mehr als 80 Prozent seiner Versuche sind Dreier.
Aber weil aus Kidd ein eindimensionaler Spieler geworden ist, leidet das Offensivspiel der ganzen Mannschaft. Um seine Probleme zu beheben, würde der Titelverteidiger einen möglichst vielseitigen Profi benötigen, der überdurchschnittlich punkten, passen und verteidigen kann. Eigentlich bräuchten die Mavericks: Lamar Odom.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen