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Kolumne American PieKobe Bryants neue Gefühle

Kolumne
von David Digili

L.A. Lakers gegen Oklahoma City – ein Duell der Gegensätze. In den NBA-Playoffs wird Großmaul Kobe Bryant von bescheidenen Schwiegermuttertypen besiegt.

Unter dem Korb nur schwer zu stoppen: Kobe Bryant (r.). Bild: dapd

Das ist ein völlig neues Gefühl für mich“, sagte ein ungläubiger Kobe Bryant auf der Pressekonferenz nach dem Spiel seiner Los Angeles Lakers am Montagabend in Oklahoma City. Soeben war die traditionsreiche Mannschaft aus Kalifornien aus dem Titelrennen ausgeschieden – selbst 42 Punkte der Basketball-Ikone Bryant halfen nicht. 90:106 aus Lakers-Sicht stand am Ende des Auswärtsspiels auf der Anzeigetafel, 1:4 in der Playoff-Serie.

„Es ist sehr merkwürdig – ich bin nicht der Geduldigste, genau wie der Klub. Wir wollen gewinnen, und wir wollen jetzt gewinnen“, wiederholt Bryant das Mantra der Lakers, mit denen er bereits fünf Meisterschaften nach Los Angeles holen konnte, die letzte im Jahr 2010. „Wir werden diese Schwierigkeiten aber überwinden, so, wie wir das schon immer getan haben.“

Alle Kraftmeierei des Teams mit den markanten gold-violetten Leibchen war umsonst. Kurz vor Ende der regulären Saison streckte Forward Metta World Peace, bis zur kreativen Namensänderung als Ron Artest bekannt, in der für ihn gewohnt rüpelhaften Weise Oklahoma-City-Aufbauspieler James Harden mit einem Ellenbogenschlag nieder.

Die Attacke soll unabsichtlich gewesen sein – zumindest nach eigener Aussage. In den Playoffs nun war es Bryant, der immer wieder zu verbalen Sticheleien ansetzte. Er könne nicht verteidigt werden, und schon gar nicht von den Spielern der Oklahoma City Thunder, wiederholte er.

Ego-Zocker mit Vertrauen ins Management

Der 33-Jährige gab auf dem Parkett den Alleinunterhalter mit oft zu großzügiger Wurfauswahl, kritisierte zudem öffentlich Teamkollegen, aber ein Plan, wie es jetzt weitergehen soll, fehlt ihm. „Ich habe keine Ahnung. So eine Niederlage muss erst analysiert werden. Unser Management hat aber in den letzten Jahren immer wieder hervorragende Arbeit geleistet, darin habe ich vollstes Vertrauen und bin mir sicher, dass es auch dieses Mal wieder so sein wird“, orakelt Bryant, der dem eigenen Selbstverständnis nach stets in die wichtigsten Personalentscheidungen miteinbezogen werden will.

David Digili

ist Autor der taz.

Fast bezeichnend, dass die Lakers-Bezwinger aus Oklahoma City quasi der Gegenentwurf zur Bryant-Show sind. Ein junges Team mit Esprit und Spielwitz, variabel im Angriff und gleichermaßen schnell und konzentriert in der Verteidigung. Die Spieler sind bescheidene Schwiegermuttertypen, Vorzeigeathleten der NBA 2012. „Wir sind jetzt am selben Punkt wie im letzten Jahr“, sagt Thunder-Forward Kevin Durant nach der Partie.

Schon 2011 stand die Mannschaft im Halbfinale, scheiterte dort am späteren Meister Dallas Mavericks. „Jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen“, weiß Durant. Der so schmächtig wirkende 2,06-Meter-Mann ist die erste Angriffsoption der Mannschaft, hat so gar nichts vom Gehabe seines Gegenübers Bryant.

Überhaupt sind die Thunder nicht nur aufgrund der offensiven Spielweise zu einer Attraktion der Liga geworden. Das Dreigestirn aus Durant, Aufbauspieler Russell Westbrook und Harden macht die Mannschaft auch schwer kontrollierbar. Und Trainer Scott Brooks hat seinen jungen Korbjägern Demut, Ruhe und Teamgeist als Maxime ausgegeben – mit Erfolg.

Das Team steht über allem

Durant belegte bei der Wahl zum wertvollsten Spieler der regulären Saison Platz zwei. Zusammen mit Westbrook und Harden wird er auch für die US-Auswahl bei den Olympischen Spielen in London antreten. Dem 46-jährigen Brooks ist das fast schon zu viel an individuellen Auszeichnungen: „Ich möchte nicht nur diese drei, sondern das gesamte Team, jeden Einzelnen für diese großartige Leistung gegen die Lakers loben“, sagt der Basketballlehrer nach dem Einzug ins Halbfinale.

Dort warten ab Sonntag die San Antonio Spurs. Ein Klub mit ähnlichem Teamgeist, mehr Erfahrung – und damit wohl ein schwierigerer Gegner als die Kobe-Bryant-Kombo aus Los Angeles. In der ersten Runde hatte Oklahoma übrigens Meister Dallas Mavericks mit 4:0 ausgeschaltet. An der Ostküste fuhren derweil die Boston Celtics einen wichtigen Erfolg ein. Durch das 101:85 gegen die Philadelphia 76ers erhöhte der Rekordchampion in der Serie auf 3:2. Das sechste Spiel findet heute in Philadelphia statt.

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1 Kommentar

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  • N
    nolookpass

    Sind Sie sich da so sicher, Herr Digili? Abgesehen davon, dass Kobe Bryant zu den wenigen in der Liga gehört, die aufgrund ihrer Spielklasse und Errungenschaften das Recht haben, ihr Maul aufzureißen, handelt es sich bei Herrn Bryant um einen weltgewandten, polyglotten und intelligenten Menschen, der die von Ihnen als "Musterknaben" präsentierten Herren Durant, Westbrook und Harden nicht nur auf dem Spielfeld locker in die Tasche steckt. Fallen Sie da nicht auf Klischees rein, die man ihnen von der NBA unterjubeln will. Bei Durant kann man den Schwiegersohn sicherlich unterschreiben, Westbrook und Harden aber sind arrogante Möchtegernstars, die sich nach jedem zweiten Korb spätpubertär abfeiern und sich für die gößte Offenbarung des Basketballs halten. Schauen sie mal die Spiele genau an. Leider wird dieser Spielertyp in der heutigen NBA auch noch gefördert - dieLeBronisierung der Liga. Hauptsache sprunggewaltig und athletisch, ausgefeilte Technik nicht so wichtig. Traurigerweise haben es Teams wie die Lakers, die auf technisch und spielerisch versiertes Personal setzen, in der heutigen Liga sehr schwer, wenn sie nicht so eingespielt sind, wie die Spurs oder die Lakers selbst unter Phil Jackson. Zumal die Regeln einseitig zugunsten der "jungen Wilden" ausgelegt werden (OKC arbeitet z.B. dauernd mit regelwidrigen Blöcken, so dass ihre Stars kaum zu verteidigen sind). Frei nach Prince: T.G.F.K.A.B. - The Game Formerly Known As Basketball. Diese Entwicklung ist sehr bedauerlich. Begabte "Big Men" wie Pau Gasol und Andrew Bynum hätten etwas mehr Artenschutz verdient.