piwik no script img

Kolumne American PiePlötzlich sauber

Kolumne
von Thomas Winkler

In der Major League Baseball geht man mit dem ausufernden Dopingfall um die Schönheitsklinik Biogenesis erstaunlich ernsthaft um.

Melky Cabrera, verdächtiger Klinikkunde mit einschlägiger Vorsstrafe. Bild: reuters

B ud Selig ist 78 Jahre alt. Seit 1992 ist er der mächtigste Mann im Baseball. Im Herbst 2014 wird der Commissioner der Major League Baseball (MLB) endlich in Rente gehen. Bis dahin, so hat es nun den Anschein, will Selig in dem Sport, den er nun schon mehr als zwei Jahrzehnte lang verwaltet, noch mal richtig aufräumen.

In den USA tut sich gerade Einmaliges. Erstmals scheinen sich die gern beschworenen Selbstreinigungskräfte des Sports tatsächlich zu entfalten. Während andere Sportfunktionäre gewöhnlich von Staatsanwälten oder Journalisten dazu genötigt werden müssen, ihr eigenes Regelwerk angemessen zu sanktionieren, entwickelt die MLB gerade einen unerwarteten Eifer in der Aufklärung ihres aktuellen Dopingskandals um die Schönheitsklinik Biogenesis of America. An dessen Ende könnte ein ungeheurer Schaden für das Image und den Umsatz der von Selig geleiteten Liga stehen.

Doch das scheint diesem egal zu sein. Dass sich unter den 20 Spielern, die Anthony Bosch, der ehemalige Leiter der mittlerweile geschlossenen Klinik in Florida ans Messer liefern will, Alex Rodriguez, der bestbezahlte Baseball-Profi aller Zeiten, der fünffache All-Star Ryan Braun und Melky Cabrera, der Star der Toronto Blue Jays befinden sollen, treibt ihn eher an. Denn alle sind keine Ersttäter: Rodriguez hat gestanden, in den frühen nuller Jahren gedopt zu haben, Cabrera saß in der vergangenen Saison eine 50-Spiele-Sperre wegen unnatürlich hoher Testosteronwerte ab und Braun ist positiv getestet worden, konnte aber wegen eines Verfahrensfehlers eine Sperre verhindern.

taz
Thomas Winkler

ist Mitarbeiter der Leibesübungen-Redaktion der taz.

Mit erhobenem Kopf in den Ruhestand

Der Obmann des Schiedsgerichts, das Braun vom Haken ließ, hat die MLB mittlerweile gefeuert. Eins von vielen Anzeichen, dass Selig es nun ernst meint. „Nachdem man Selig kritisiert hat, dass er in den neunziger Jahren nichts gegen das Anabolika-Doping unternommen hat“, zitiert die Daily News einen Insider aus Seligs Umfeld, „ist er jetzt fest entschlossen mit erhobenen Kopf in den Ruhestand zu gehen.“

Selig hat – und das gegen den Widerstand der mächtigsten Spielergewerkschaft der Welt – im Baseball nicht nur seiner eigenen Einschätzung nach „das strengste Testprogramm im US-Sport“ installiert. Kritiker beklagen zwar, die Konsequenzen seien ein Witz. Tatsächlich klingen 50 Spiele Sperre für Erstsünder dramatischer, als sie sind, wenn eine Saison aus 162 Spielen besteht. Aber immerhin werden – im Gegensatz etwa zum europäischen Fußball – immer wieder auch prominente Spieler erwischt und gesperrt.

Selig selbst äußert sich mit dem Hinweis, man sei „mitten in einer sehr komplexen Untersuchung“, nicht offiziell zu Biogenesis. Aber der Insider behauptet, den Spielern, denen Verbindungen zur Schönheitsklinik nachgewiesen werden, könnten langfristig, vielleicht sogar lebenslang gesperrt werden. Selig soll, so wird es kolportiert, den Leiter seiner Untersuchungskommission zehn bis zwölf Mal am Tag anrufen, um auf dem aktuellen Stand der Ermittlungen zu bleiben.

Die werden sich noch Monate hinziehen. Ex-Klinikleiter Bosch ist nach einem Deal mit MLB, der ihm vermutlich ein Gerichtsverfahren erspart, zwar zur Kooperation bereit, aber als Drogendealer nicht unbedingt der vertrauenswürdigste Zeuge. Außerdem müssen alle Beschuldigten vernommen werden, dazu weitere Zeugen. Dann ist zu erwarten, dass gegen eventuell verhängte Sperren von den Betroffenen gerichtlich vorgegangen wird. Der momentan wegen einer Verletzung nicht aktive Rodriguez hat bereits den Rechtsanwalt, der seinem Kollegen Braun mit geschickten Winkelzügen eine Sperre ersparte, in sein Verteidigerteam aufgenommen. Doch die zu erwartenden Entschädigungsklagen, so der anonyme Informant der Daily News, würden Selig – kurz vor dem Ende seiner Amtszeit – nicht mehr kümmern: „Ihm geht es um sein Vermächtnis.“ THOMAS WINKLER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!