Kolumne Afrika Afrika: Nqobiles Traum
Obdachlose, Bettler und Straßenkinder verschwinden für die vier Wochen der WM von der Bildfläche der Stadtzentren. Doch die Hoffnung ist trügerisch.
N qobile hat jahrelang auf den Straßen von Johannesburg gelebt, in leer stehenden Häusern geschlafen. Bis vor vier Wochen plötzlich Mitarbeiter der Stadt kamen und den 16-Jährigen fragten, ob er in eine Unterkunft kommen wolle. Nun wohnt er in einem Asyl mit 17 anderen Straßenjungen. Warum sich auf einmal jemand für ihn und seine Freunde interessiert hat, ahnt er: "Die Stadt hat sich auf die WM vorbereitet. Die wollen keine Leute in den Straßen schlafen sehen."
In der Tat: Obdachlose, Bettler und Straßenkinder verschwinden für die vier Wochen der WM von der Bildfläche der Stadtzentren. Den Straßenkindern wird ein neues Zuhause versprochen. Doch die Hoffnung ist oft trügerisch. Die Kinder werden zunächst in eine Art Sammellager gebracht, private Heime sollen die unliebsamen Straßenbewohner dann übernehmen. Wenn die Kinder aber nicht vermittelt werden, schickt man sie nach zwei Wochen wieder zurück auf die Straße.
Das passiert häufig, denn die privaten Einrichtungen bekommen keine finanzielle Unterstützung. "Die Regierung verlässt sich auf unsere Gutmütigkeit und erwartet, dass wir uns um die Jungen kümmern", sagt Laszlo Karpati, Leiter des Dinaledi House, wo Nqobile wohnt. Dass nach zwei Wochen für manche Straßenkinder der Weg ins normale Leben schon wieder endet, lässt Karpati auf die eigentliche Gesinnung der Regierung schließen: "Bald wird wieder alles wie vor der WM sein. Denn die sind nicht besorgt um die Menschen, es geht nur ums Image."
Jana Hauschild berichtet aus Südafrika.
"Die", das sind unter anderem die Mitarbeiter der Displaced Persons Unit - einer lokalen Regierungseinheit, die speziell für den Umgang mit Obdachlosigkeit gegründet wurde. Direktor Wandile Zwane verteidigt das Vorgehen der Regierung: "Johannesburg hat es nicht nötig, Menschen zu verstecken. Unsere Aktionen sind nicht mit der WM verbunden. Das sind Gerüchte." Diesen Gerüchten gibt er allerdings selbst Nahrung: Denn während sich normalerweise in den Schulferien die Straßen mit unzähligen bettelnden Kindern füllen, betont Zwane nun, dass keine Kinder auf den Straßen zu finden sind, obwohl während der WM schulfrei ist. Die Säuberung war also erfolgreich? Nein, so sieht Zwane das nicht: "Wahrscheinlich genießen die Kinder einfach gerade die WM."
Auch die lokale Polizei vertreibt die Kinder von der Straße. Ihre Ziele setzt sie auch schon mal physisch durch. "Die Polizei hat uns geschlagen. Wenn irgendwas in der Gegend passiert, denken die immer, wir waren es", sagt der 15-jährige Tony, der mit Nqobile zusammenlebt. Seine Sachen wurden ihm weggenommen und verbrannt. Zum Schluss wurde Tony und seinen Freunden gedroht: Sie sollen sich nicht mehr auf der Straße blicken lassen.
Nqobiles Freunde sind dennoch auf die Straße zurückgekehrt. "Die Kinder haben fünf, sechs, sieben Jahre auf der Straße gelebt. Sie können nicht mit dem anderen Leben umgehen. Sie müssen sich langsam von der Straße lösen, das klappt nicht in wenigen Tagen", sagt der Sozialarbeiter Andries Manale, der fünf Tage die Woche zu jeder Uhrzeit für die Jungen in Dinaledi House ansprechbar ist.
Nqobile ist im Heim geblieben. Er möchte Pilot werden. Ob er schon mal geflogen ist? Nein, aber er hat oft davon geträumt.
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