Kolumne Älter werden: Auftragsmörder gesucht
Sind Sie auf die Telekom angewiesen? Müssen Sie umziehen? Mein herzliches Beileid.
L iebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Haben Sie eine schöne Miet- oder Eigentumswohnung, in der Sie einmal alt werden möchten? Oder gar ein Häuschen im Grünen mit netten Nachbarn, die keine Gartenzwerge in ihre Vorgärten stellen und/oder auch keinen 210er Benz mit Anhängerkupplung fahren? Sind Sie Teil einer WG von My Generation in einer Altbauwohnung in einem angesagten Metropolenkiez oder einem restaurierten Bauernhof in Ostfriesland und trotzdem oft glücklich? Dann bleiben Sie dort, wo Sie sind! Und danken Sie dem lieben Gott dafür, dass Sie - höchstwahrscheinlich - in diesem Leben nie mehr umzuziehen brauchen. Denn umziehen ist die Hölle auf Erden.
Denn wer umzieht, wird mit Parallelwelten wie etwa der XY. Logistik Group [Klarname der Red. bekannt] oder gar der Telekom konfrontiert. Das sind dann Begegnungen der extremistischsten dritten Art - aber leider keine imaginären Kinowelten -, wie sie immobilen Menschen mit bombenfesten Wohnsitzen erspart bleiben: blitzsaubere Möbeltransportlastwagen, Referenzen ohne Ende, eine entzückende Firmenphilosophie - Wir tragen Ihre Möbel auf Händen! -, Möbelpacker wie aus dem Umzugsbilderbuch etc. Das alles und noch viel mehr jedenfalls macht den Auftritt der Umzugsfirma XY. Logistik Group in der Lügenverbreitungsmaschine Internet aus und die potenzielle Kundschaft an.
In unserem Hof aber fuhren dann am Umzugstag ein zerbeulter, vorne links aufgeschlitzter Kastenwagen ohne jede Firmenkennzeichnung mit drei Mann Besatzung (inkl. Fahrer) und ein alter BMW vor, dem vier junge Leute angeblich aus noch vor dem Ural entstiegen. Shocking Blue!
Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Die zu Dumpinglöhnen von einem Subunternehmer von einem Subsubunternehmer angemietete Laienmöbelträgertruppe hatte den von uns mit der XY. Logistik Group abgeschlossenen detaillierten Vertrag - zum Festpreis - nie zu sehen bekommen. Es fehlte an allem. Und keiner der Jungs konnte auch nur einen Wasserhahn in der Küche demontieren. Diese Leute hatten noch nicht einmal eine Bohrmaschine dabei!
Und als ob das alles für uns älter werdenden zwei Menschen nicht schon Horror und Herzelaide (Walter von der Vogelweide) genug gewesen wäre, legte die Firma Telekom noch nach. Die für den Tag nach dem Umzug zugesagte Freischaltung unseres Festnetzanschlusses fand schlicht nicht statt. Dafür hatte die Telekom unsere neue Rufnummer an die Nachbarn im Parterre vergeben, die danach über gleich zwei Anschlüsse verfügten.
Nach exakt einer Stunde in der Servicehotline wurde für den Vormittag des Folgetages Abhilfe zugesichert. Doch wieder passierte - nichts. Nach einer erneuten Intervention (jetzt nur 40 Minuten in der Warteschleife) kam dann am Abend ein Monteur, schaltete tatsächlich unsere Leitung frei - und die der Nachbarn komplett ab.
Epilog: Kennt jemand einen zuverlässigen Auftragskiller? Infos werden vertraulich behandelt, bitte an kolumne@taz.de.
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