Kolumne - Die Wahrheit: Des Geldes blutige Selbstvermehrung
Eine Zeitung lieferte jüngst eine Beilage mit dem Titel "Mehr Geld durch Geld". Zeit allein soll also Geld in mehr Geld verwandeln. Die Tipps der Vermögensberater sind allerdings durchwachsen.
A ls Antwort auf ein Lockangebot in der Preislage von "Wollen Sie Ihr Geld in zehn Jahren verdoppeln?" rät ein Anlageberater: "Meiden Sie Leute, die solche Sprüche klopfen; werden Sie notfalls unhöflich - das schont Ihren Geldbeutel". Der Kunde soll die Jacke ausziehen und die Hemdsärmel hochrollen, wenn er am Bankschalter derlei hört. Wenn das Publikum solche Ratschläge befolgt, könnte es an den Bankschaltern bald laut und ungemütlich werden.
Aber es kommt alles noch ruppiger für die Messdiener in den Kapitalkathedralen, wo gepredigt wird, "mehr Geld" sei "durch Geld" zu machen - unbeschränkt und mühelos sowieso. Seitdem CDs mit den Daten von Steuerflüchtlingen bei deutschen Staatsanwaltschaften kursieren, lautet der kategorische Imperativ der Bankkunden wie der Anlageberatung: "Denken Sie an den langen Arm Ihres Finanzamtes!"
Auf schlichte Arbeitsplatzvernichtung der Anlageberater läuft der Rat eines Anlageberaters hinaus, die geldgerechte Selbstverwirklichung selbst in die Hand zu nehmen. Freunde in Gelddingen sind so selten wie die gierigen Feinde zahlreich, deshalb der Rat: "Managen Sie Ihr Geld so weit wie möglich selbst!" Geldautonomie wird zur Überlebensfrage erklärt, denn außer den gefräßigen Steuerbehörden lauern überall "toxische Produkte", die dem Anleger erst die gute Laune und dann den ruhigen Schlaf rauben. Vor allem aber soll der Anleger die Devise beherzigen: "Treffen Sie keine gefühlsbetonten Entscheidungen! … Das sind Sie ihrem Geld schuldig." Wer sein Geld "liebt", behandelt es mit kaltem Herzen.
"Mehr Geld durch Geld" erweist sich also als komplizierte Angelegenheit, bei der Handeln mit kühlem Kopf und eiskaltem Herzen gefragt ist. Oder handelt sich bei der Geldberater-Parole "Mehr Geld durch Geld" nur um einen Schleier oder eine Verschleierung? Zumindest der Feuerkopf Marx sah darin nur suspekten Hokuspokus. Das "automatische Subjekt" ist für ihn das Geld, das sich selbst vermehrt, indem es sich in "geldheckendes Geld" verwandelt - eine Fata Morgana. Geld tut nach Marx nämlich nur so, als vermehre es sich selbst, als trüge es exklusiv "Lieb im Leibe" und hätte die "okkulte Qualität", sich ganz allein - mühe- und arbeitslos sowieso - zu vermehren.
Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass Geld bei seiner globalen Aktivität aber nur "die Narben" überschminkt, die es bei seiner vermeintlich automatischen Selbstvermehrung hinterlässt. Entgegen dem naiv-konformistischen Glauben von Konto- und Kreditkartenbesitzern sind Geldanlagen mehr als eine Frage von Coupons und Kontoauszügen. "Manch ein Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in England kapitalisiertes Kinderblut" (Marx 1867). Das ist zwar grob gesagt, aber irgendwie genauer als die krawattierte Bankschalterweisheit "Mehr Geld durch Geld".
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