Koloniales Erbe der Hansestadt: Hamburg sägt Forschungsstelle ab
Die Forschungsstelle zur Aufarbeitung von Hamburgs kolonialem Erbe gilt als Vorbild. Doch streicht der Senat Gelder und besiegelt damit wohl ihr Ende.
Hamburg war mit seinem Hafen ein zentraler Knotenpunkt des deutschen Kolonialismus. Deshalb richtete der Senat 2014 die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe – Hamburg und die (frühe) Globalisierung“ ein. Die Initiative gilt bundesweit als sehr erfolgreiches und vorbildliches Projekt.
„Vom kolonialen Erbe der Stadt ist bis heute nur ein Bruchteil aufgearbeitet“, sagt der Leiter der Forschungsstelle, Jürgen Zimmerer, der taz. „Das Petitum des Wissenschaftsausschusses bedeutet jedoch das Ende der Forschungsstelle.“ Darin ist vorgesehen, dass die Forschungsstelle letztmalig 150.000 Euro für die nächsten zwei Jahre von der Stadt erhalten soll.
Zum Vergleich: Bisher wurde sie mit etwa 200.000 Euro pro Jahr finanziert. Insgesamt werden so über 60 Prozent der Mittel eingekürzt. „Von meinen zwei Mitarbeitern kann ich nicht mal einen voll weiterbeschäftigen. Sie bewerben sich jetzt beide auf neue Stellen“, sagt Zimmerer dazu.
Behörde weist Vorwürfe zurück
Die Wissenschaftsbehörde und Vertreter der Regierungsparteien weisen Kritik an ihrer Entscheidung scharf zurück. Sie betonen, dass die Arbeit der Forschungsstelle weiterlaufen könne. Dafür soll die Forschungsstelle in die Universität Hamburg eingegliedert werden.
„Aus der Projekt- soll eine Regelfinanzierung werden“, schreibt dazu die Wissenschaftsbehörde in einer Stellungnahme auf Anfrage der taz. „So kann die Forschung zum postkolonialen Erbe langfristig strukturell und finanziell abgesichert werden.“ Die Universitätsleitung werde die postkoloniale Forschung stärken und in den Regelbetrieb eingliedern. Zudem habe die Universität mit der Behörde die Schaffung einer Dauerstelle abgesprochen.
Bisher ist jedoch unklar, welche finanziellen Mittel die Universität genau bereitstellen kann und will, um die Forschung zu fördern. Die aktuell bestehende Finanzierungslücke von über 60 Prozent der bisherigen Summe soll wohl zum Teil über Drittmittel gedeckt werden. „Drittmittelfinanzierung bedeutet Drittmittellotterie. So eine wichtige Aufgabe kann man nicht darüber betreiben“, sagt dazu Zimmerer.
„Ich fand die Äußerungen der Universität im Wissenschaftsausschuss sehr unpräzise und habe nicht den Eindruck, dass die Universität einen konkreten Plan hat, wie sie die Arbeit zu diesem Thema weiterführen will“, kritisiert auch der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der für die Linksfraktion Mitglied im Wissenschaftsausschuss ist.
Schluss innerhalb der Universität?
Hackbusch und Zimmerer betonen außerdem, dass die Eingliederung in die Universität überhaupt nicht mit dem bisherigen Status der Forschungsstelle vergleichbar sei. Denn die Forschungsstelle hat aktuell einen konkreten Auftrag der Bürgerschaft zur Aufarbeitung von Hamburgs kolonialem Erbe und ist daran gebunden. Innerhalb der Universität könnte dieser Auftrag aufgrund der Wissenschaftsfreiheit einfach aufgegeben werden, wenn die Universitätsleitung andere Forschungsschwerpunkte setzen möchte.
„Ich werde in den nächsten Jahren in Rente gehen. Meine Sorge ist, dass sich nach mir niemand mehr um dieses Thema kümmern wird, wenn das nicht institutionell gesichert ist“, sagt Zimmerer.
Auch diese Bedenken werden von der Wissenschaftsbehörde und Vertretern der Regierungsfraktionen zurückgewiesen. Peter Zamory, der die Zukunft der Forschungsstelle für die Grünen im Wissenschaftsausschuss verhandelt hat, sagt der taz: „Die Vertreter der Universität Hamburg und die Wissenschaftssenatorin haben uns im Ausschuss zugesichert, dass die bisherige Arbeit der Forschungsstelle innerhalb der Universität weitergeführt werden kann.“
Zudem sei die Überführung in die Universität entgegen Zimmerers Bedenken eben gerade darauf ausgelegt, die Arbeit langfristig zu sichern. „Wir machen das auch, um die postkoloniale Forschung zu schützen. Wenn die Regierung in Hamburg sich ändern sollte, bräuchte es aktuell nur einen Federstrich, um die Forschungsstelle abzuschaffen“, sagt Zamory. Gerade mit Blick auf die erstarkende AfD sei es deshalb wichtig, unabhängige Wissenschaft im Rahmen der Universitäten zu unterstützen.
Jürgen Zimmerer traut diesen Zusagen über die Zukunft seiner Forschung auch deshalb nicht, weil er in die bisherigen Gespräche überhaupt nicht einbezogen wurde. „Ich verstehe nicht, warum ich als Betroffener weder zu der Beratung des Wissenschaftsausschusses noch zu der Bürgerschaftssitzung eingeladen wurde“, sagt er der taz. Seit letztem Sommer habe er sich mehrfach um ein Gespräch mit der Wissenschaftsbehörde bemüht. „Erhalten habe ich seitdem nur Anrufe von Behördenmitarbeitern, die mich vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Das ist für mich kein Gespräch auf Augenhöhe.“
Mitarbeit: Benno Schirrmeister
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