■ McCash Flows Orakel: Koks-Hausse
Die Drogen–Preise in der Londoner City sind, wie die Zeitung Independent kürzlich meldete, gestiegen. Der Arbeitsrhythmus in der Londoner City hat sich seit dem Big Bang - der Umstellung des Börsenhandels auf Computer im letzten Jahr - schwindelerregend beschleunigt. Schirm, Charme und Melone der Gentlemen vergangener Tage bleiben langsam auf der Strecke, der Yuppie–Broker hat das Feld übernommen. Die alte Wein– und Whisky– Gemütlichkeit ist dahin, Aggressivität ist gefragt, ein Zwölf–Stunden–Tag mit Höchstleistung rund um die Uhr. Den durchzustehen reichen ein paar Tässchen Tee nicht mehr, stärkere Mittel sind gefragt: Kokain. Ein Drogenberater berichtet, daß viele der Jung–Börsianer 300 Pfund (1.000 Mark) in der Woche für das stimulierende Pulver ausgeben, die Herrentoiletten mancher City–Firmen werden deshalb, so der Independet, Puderräume genannt. Da der Gang zum Klo entscheidende Minuten kostet, hatten sich die Profis an der New Yorker Wallstreet schon vor einiger Zeit umgestellt: die grünen Plastik–Fläschen, die überall in den Börsen–Sälen Verwendung finden, enthalten kein Schnupfenspray, sondern Koks. Daran wird sich auch nach der spektakulären Verhaftung einiger hochkarätiger Broker vor ein paar Wochen nichts ändern. Die Londoner City lockt die jungen Informatik– und Wirtschaftsabsolventen mit Anfangsgehältern, die 50 denen der Industrie liegen. Und wer einmal 100.000 Pfund Jahresgehalt verdient, der will es um jeden Preis behalten; daß Doping illegal und gesundheitsschädigend ist, interessiert da erst in zweiter Linie. Da nach fünf Jahren weltweitem Börsen–Boom die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs mit jedem Hausse–Tag näherrückt und das Datum des kommenden Black Friday aus allen möglichen und unmöglichen Daten herausprognostiziert wird, wundert es, daß das Kokain–Phänomen noch nicht zur Basis einer Vorhersage geworden ist. Ein Vergleich der Verbrauchs–Kurve des weißen Pulvers in den zwanziger Jahren mit dem Verlauf der Koks–Hausse in den Achtzigern wäre mit Sicherheit aufschlußreich. Meint jedenfalls McCokeFlow
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen