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Kokoschka-Film neu in der Schauburg:„Erinnerung“

■ Vierkantschädel

Oskar Kokoschka, mit dem Akzent auf dem ersten „O“, als Hauptdarsteller in einem längerem Film - wir müssen ein feuilletonistisches Portrait befürchten und den Geruch von Mühsal: einen Nachhilfeunterricht für Kunstbeflissene. Albert Quendler hält sich da mit Erinnerung, einem Kaleidoskop über das Leben und Wirken Kokoschkas, erfreulich zurück.

Oskar Kokoschka, der Österreicher mit dem kantigen Kopf, der starke Raucher, der Reisende in Sachen Kunst und Portraitist: So war der vor genau zehn Jahren verstorbene Maler bekannt, und so zeigt ihn uns Quendler auch. Die Mittel, die er benutzt, sind bemerkenswert. Häufige Bildwechsel statt quälend langer Einstellungen, Ein- 'Aus und Überblendungen alter Photographien und Dokumente vermitteln das ständige Hin und Her im Leben des Künstlers.

Mit dem Ton verfährt der Regisseur ebenso. War der Maler und Dichter gerade noch bei einer Ausstellungseröffnung selbst im Bild, so bleibt seine Stimme präsent, während auf der Leinwand historische Photos oder seine Kunstwerke Kokoschkas Geschichten miterzählen.

Regisseur Quendler verzichtet völlig auf einen Kommentar, Bilder und Töne sprechen für sich. Durch alte Zeitdokumente erhalten wir Einblick in die Familie Kokoschka. Die Kamera tastet über vergilbte Photos, auf denen die resolute Mutter oder der Vater mit seinem langen wallenden Bart erst die Konturen erhalten, die der gealterte Oskar im Rückblick andeutet.

Der Mann war ein Flippie. Er war in seiner Jugend ausgelassen, ein ausgesprochener Frauenliebling. Seine Mutter schreibt in Briefen immer an ihren „Oski“, der bidungsbeflissen Europa und Nordafrika bereist und von überall statt Postkarten eigene Gemälde mitbringt. Die dokumentierenden Stimmen aus dem Off kommen, verblassen, werden durch andere übertönt und gehen manchmal in die Stimme von Kokoschaka selbst über. Dann sagt der gereifte und weise gewordene Vierkantschädel, der im ersten Weltkrieg von einer Gewehrkugel ins Ohr getroffen wurde, Sätze wie: „Ich werde alt und meine Freunde sterben mir weg. Ich muß mir junge Freunde suchen, die halten länger aus.“ Er, der einst als „entartet„ verbannt war, schaute immer nach vorn, denn hinter ihm lag „ein Mist haufen von Erinnerungen“. J.F.Sebastia

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