Kohls jüngster Blackout

■ Im Bonner U-Boot-Untersuchungsausschuß: Keine Ahnung von Strauß-Brief

Bonn (dpa/ap/taz) - „Ich kann schließlich nicht wissen, was täglich so an Post ankommt. Es interessiert mich auch nicht.“ Vor dem Bonner Untersuchungsausschuß, der den illegalen Blaupausenexport von U-Boot-Konstruktionsplänen nach Südafrika aufklären soll, zog Kanzler Kohl sich erneut auf das probate Mittel zeitlich befristeter Amnesie zurück. Ein Brief von Strauß mit Eingangsstempel vom 31. Juli 1984, an den müsse er sich doch erinnern, wurde dem Kanzler erstaunt vorgehalten. Ach, man müsse wissen, vertraute der Kanzler den Abgeordneten daraufhin an, der Strauß sei ein intensiver Schreiber langer Briefe gewesen. Es seien auch mal drei pro Woche angekommen. Die habe er unmöglich alle lesen können, und schon gar nicht könne er sich daran erinnern.

Glaubt man dem Kanzler, dann neigte der bayerische Ministerpräsident darüber hinaus auch dazu, aus vagen Wandergesprächen feste Absprachen zu konstruieren, die es so nie gegeben habe. Daß der Kanzler nun in so unfeiner Weise über seinen verstorbenen Männerfreund herzieht, hat einen triftigen Grund. In dem fraglichen Brief hatte Strauß Kohl an ein Versprechen erinnert, das ihm dieser bei einer gemeinsamen Wanderung am Tegernsee gegeben habe: sich der Angelegenheit (U-Boot-Geschäft mit Südafrika) anzunehmen und alles weitere zu veranlassen. Dies sei um so dringlicher, als Genscher bereits bei einem Dreiergespräch am 1. Juni 1984 ( mit Strauß und Kohl) alle möglichen Einwände gemacht hatte.

Vor allem das Datum 1. Juni 1984 ist für die Aufklärung der unmittelbaren Beteiligung Kohls an dem illegalen Waffenhandel von Belang. 15 Tage später war der damalige südafrikanische Premier Botha in Bonn und sprach Kohl auf den geplanten Bruch des Waffenembargos an. War der Kanzler zu diesem Zeitpunkt von Strauß nun schon positiv auf das Geschäft eingestimmt oder nicht? Hatte er dem Bayer schon Zusagen gemacht oder nicht? Daran könne er, Kohl, sich nun mal nicht erinnern. Tatsächlich habe er Botha eine Prüfung des Ansinnens zugesagt, die sei dann aber negativ ausgefallen. Das sei den Firmen Howaldtswerke-Deutsche-Werft -AG und dem Ingenieurkontor Lübeck im Oktober 1984 mitgeteilt worden. Das muß bei den betroffenen Firmen allerdings ganz anders angekommen sein. Noch im Sommer 1984 hatten sie mit der Lieferung der Konstruktionspläne begonnen.

SPD-Mann Gansel meint auch zu wissen, warum: Nur wenige Stunden nach Eingang des Strauß-Briefes am 31.Juli desselben Jahres, habe der damalige Kanzleramtschef Waldemar Schreckenberger den Werften telefonisch grünes Licht gegeben.

Bundesaußenminister Genscher, der ebenfalls gestern zu einer Zeugenvernehmung vor dem Ausschuß antrat, konnte oder wollte sich ebenfalls nicht an das von Strauß genannte Dreiergespräch am 1. Juli 1984 erinnern. Er sei im übrigen immer gegen Rüstungsgeschäften mit Südafrika gewesen. Zu einer „erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen“ habe aber die bislang bekannten Lieferung noch nicht geführt. Das so Genscher, könne sich jedoch ändern, falls sich der Verdacht der Kieler Staatsanwaltschaft bestätigt, daß doch mehr geliefert worden sei, als bisher bekannt ist.

JG