■ Wahlkampf in Berlin: Der Kanzler besucht sein Museum: Kohl und die Beutekunst aus der DDR
Berlin/Bonn (taz) – Der Bundeskanzler ist ein Macher. So sagte er am Telefon zum Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin: „Am Mittwoch will ich die ständige Ausstellung sehen – und um mich sollen viele interessierte Besucher sein.“ Stölzl wandte darauf zaghaft ein: „Wir haben mittwochs nun eigentlich geschlossen ...“ – „Sie machen das schon“, tönte es aus Bonn, und Stölzl machte, das heißt, erstmal rief er: Krise – und fragte seine Mannen und Frauen: „Was machen wir jetzt, wenn der Kanzler kommt?“
„Einen Tisch aufbauen“, antworteten die Getreuen, „und auf den legen wir Alltagsgegenstände der DDR, alles irgendwie frisch erworben und ganz toll aussagekräftig für den Tag der Einheit.“ „Richtig“, rief da General Stölzl, „wir verlängern den Tag der Einheit für den dazugehörigen Kanzler“ – und sandte eine Erklärung an die Presse: Zum Tage der glücklichen Vereingigung der Deutschen öffnet das Deutsche Historische Kanzler-Museum extra für die Berliner, Deutschen und alle anderen aus Ost und West.
Der Generaldirektor führt persönlich durch die heiligen Hallen, um mit seinen Döntjes über falsch datierte und gefälschte Historienschinken die BürgerInnen zu belehren. Doch er vergaß zu schreiben: Wie zufällig wird sich dann der Bundeskanzler unters Volk mischen, samt Wächtern für 120 Kilo Leib sowie seinem Kultur- Vorkoster, Frank Schirrmacher vom FAZ-Feuilleton. Am Ende sollen das Volk und sein Kanzler am liebevoll aufgebauten DDR- Nostalgie-Tisch staunen, vielleicht geschmückt mit ein paar blühenden Helmut-Kohl-Rosen, gepflückt in der blühenden Landschaft der Bundesgartenausstellung in Cottbus. Die Deutschen, die Einheit und ihr Kanzler glücklich vereint im Kanzler-Museum. Das sollten Sie sich anschauen – und mit dem Kanzler reden. Bestimmt freut er sich, wenn Sie ihm rein zufällig begegnen und ein paar freundliche Worte sagen über die blühende Nachkriegsgeschichte der Pfälzer CDU oder ... na, was Ihnen sonst so einfällt. Der Kanzler hat bestimmt Zeit und freut sich schon. Davide Pavone
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