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Kohl schließt Generalamnestie nicht aus

■ Die für DDR-Spione beschlossene Amnestie soll nach dem Willen von SPD und FDP ausgeweitet werden / SPD: Auch verurteilte Mitglieder der Friedensbewegung amnestieren / CDU-Gerster wütet

Frankfurt (ap) - Nach dem Streit um den Wahl- und Beitrittstermin sowie das künftige Abtreibungsrecht wird jetzt das Thema Amnestie zum deutschlandpolitischen Zankapfel der Bonner Parteien. Die von SPD-Politikern im Bundesrat geforderte Ausweitung der zur Vereinigung am 3.Oktober geplanten Amnestie stieß am Wochenende in der Unionsfraktion auf Ablehnung. Ihr innenpolitischer Sprecher Johannes Gerster sprach sich vor allem gegen eine Einbeziehung von Mitgliedern der bundesdeutschen Friedensbewegung in die Straffreiheit aus. Bundeskanzler Helmut Kohl hielt sich dagegen die Möglichkeit einer Generalamnestie ausdrücklich offen.

Im Deutschlandfunk griff Kohl eine entsprechende Forderung des FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff aus der Bundestagsdebatte über den Einigungsvertrag auf: „Ich bin für diesen Gedanken offen, und ich will mich jetzt auch noch keineswegs abschließend äußern.“ Den vom FDP-Chef dafür gebrauchten Ausdruck „Jubelamnestie“ möge er allerdings nicht, „obwohl es Grund zum Jubeln gibt über die deutsche Einheit“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Gerster vertrat in einem Interview der 'Augsburger Allgemeinen‘ die Ansicht, die Amnestie sei nur für Leute gedacht, die in der DDR und in der Bundesrepublik gegen Bonn spioniert hätten. Eine Amnestie zum Beispiel für Personen, die im Zusammenhang mit der Blockade der Raketenstützpunkte Mutlangen oder Neu-Ulm oder wegen des Protestes gegen Chemiewaffen bestraft worden seien, komme überhaupt nicht in Frage.

Gerster meinte, in der DDR seien die Menschen teilweise genötigt worden, als Agenten gegen die Bundesrepublik tätig zu werden. Im Falle von Mutlangen oder Neu-Ulm aber hätten Bundesbürger aus freien Stücken den Tatbestand der Nötigung erfüllt, und dies in einem Umfeld, wo ihnen die demokratischen Mittel wie Demonstrations- und Meinungsfreiheit zur Verfügung stünden. „Ich wehre mich entschieden gegen Versuche aus den Reihen von FDP und SPD, die Amnestie auszuweiten“, sagte er. Er könne vor einer Öffnung der Rechtslage nur warnen, weil dies zu Präzedenzfällen führe. Morgen könnte jemand die Amnestie beanspruchen, der wegen Straßensperren in Rheinhausen verurteilt wurde, übermorgen könnte es ein Verstoß gegen die Fristenlösung sein, meinte Gerster.

Dagegen hält der ehemalige Bundesverfassungsrichter Helmut Simon eine Erweiterung des geplanten Amnestiegesetzes für „unerläßlich“. Im Saarländischen Rundfunk sagte Simon am Samstag, es dürften nicht nur die amnestiert werden, „die auf Seiten der politischen Macht standen“. Als Eingriff in die Strafrechtspflege seien Amnestien „nur erträglich, wenn dabei auf Gleichmäßigkeit und Gleichartigkeit geachtet wird“.

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