: Kohl ehrt das Alter
■ Renten sollen tabu sein beim Sparen für den Solidarpakt/ CSU kritisiert Bonn
Bonn/Frankfurt (AP/AFP/dpa/ taz) – Für die Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland will der Kanzler in allen Bereichen sparen, nur nicht bei den Renten. Kohl begründete dies damit, daß die ältere Generation bereits die volle Last des zu Ende gehenden Jahrhunderts getragen habe. Ausschlaggebend dürfte aber vielmehr der Blick auf die Wählerstruktur der Union sein. Kohl zeigte sich offen für eine Verringerung der Staatssekretäre bei der im Januar geplanten Kabinettsumbildung.
Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, will bei den staatlichen Gehaltsempfängern abspecken. Er ist für eine Verkleinerung des Bundestages von 662 auf 500 Abgeordnete sowie einen Neuzuschnitt der Bundesländer. Schäuble will auch die Beamten zum Solidarpakt heranziehen: Falls es für den öffentlichen Dienst bereits im Januar zu einem Tarifabschluß komme, könne man entsprechende Überlegungen bei der Beamtenbesoldung anstellen.
Kritik am Wirtschaftskurs der Regierungskoalition wurde aus der CSU laut. Der bayerische Finanzminister Georg von Waldenfels sagte, er habe kein Verständnis dafür, daß eine Bestandsgarantie für die industriellen Kerne im Osten abgegeben werde, „nur um die Gewerkschaften und die SPD für den Solidarpakt zu gewinnen“. Der CSU-Politiker meinte: „Es wäre besser, den Solidarpakt scheitern zu lassen, bevor die Koalition einen Eckpfeiler ihrer Wirtschaftspolitik aufgibt.“ Waldenfels äußerte Zweifel, ob ein Solidarpakt die Probleme im Osten tatsächlich lösen könnte.
Der Bundesgeschäftsführer der SPD, Karlheinz Blessing, sagte, seine Partei sei jederzeit zu Gesprächen über den Solidarpakt bereit. Er kritisierte jedoch, daß die Bundesregierung Einzelgespräche mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen führe. Sie müsse vielmehr diese Gruppen und die SPD gemeinsam an einen Tisch holen. Der SPD-Vorsitzende Björn Engholm erneuerte die Kritik am fehlenden sozialen Gleichgewicht des Solidarpakts. Höherverdienende müßten stärker belastet werden, etwa durch eine Arbeitsmarkt- und Ergänzungsabgabe. Bezieher niedriger Einkommen müßten zugleich entlastet werden. Soziale Ungerechtigkeit sei auch eine der Ursachen der rechtsextremistischen Gewalt. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse forderte, daß die Treuhand verpflichtet werden müsse, zu sanieren, zu modernisieren und in neue Arbeitsplätze zu investieren.
Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher erneuerte die Forderung der FDP, die neuen Länder zu einem Niedrigsteuergebiet zu machen oder dort hergestellte Produkte von der Mehrwertsteuer zu befreien. Gesundheitsminister Seehofer nutzte die Gelegenheit, die Pflegeversicherung wieder ins Spiel zu bringen: sie könne im Rahmen des Solidarpakts geregelt werden. Zum Ausgleich für die steigenden Sozialabgaben könnten die Arbeitnehmer auf einen Feiertag verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen