Koalitionspoker vor Bundestagswahl: FDP macht sich teuer
Die Liberalen geben sich verschnupft gegenüber ihrem Wunschpartner, der Union: Ohne schnelle Steuersenkungen kein Koalitionsvertrag, droht Parteichef Westerwelle.
HANNOVER/BERLIN afp/ap | Die FDP zieht mit der Forderung nach großangelegten Steuersenkungen und deutlicher Kritik am Wunsch-Koalitionspartner Union in den Bundestagswahlkampf. In dem am Sonntag auf dem Parteitag in Hannover verabschiedeten Wahlprogramm schlagen die Liberalen Steuerentlastungen von 35 Milliarden Euro vor. Parteichef Guido Westerwelle warf der Union zugleich "Chaos" in der Steuerpolitik vor.
Westerwelle kritisierte Überlegungen bei CDU und CSU, Steuerentlastungen erst im Zuge eines kommenden Aufschwungs zu beschließen. Dennoch wolle er eine "vernünftige schwarz-gelbe Koalition". Doch formulierte er nun Bedingungen: "Wir Liberale werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem aufgeschrieben worden ist".
Einer möglichen Ampelkoalition mit SPD und Grünen erteilte er keine deutliche Absage: "Manche erwarten, dass ich das mit Blut an die Wand schreibe. Das werde ich nicht tun." Er sei nicht bereit, Wahlversprechen nach der Wahl "aus staatspolitischer Verantwortung" zu brechen. Eine formale Koalitionsaussage soll erst auf einem weiteren Parteitag eine Woche vor der Bundestagswahl im September getroffen werden.
In ihrem Programm plädieren die Liberalen für einen Drei-Stufen-Steuertarif von zehn, 25 und 35 Prozent sowie einen Grundfreibetrag in Höhe von 8.004 Euro pro Bürger. Die Liberalen verlangen außerdem ein Bürgergeld in Höhe von 662 Euro, das das bisherige Arbeitslosengeld II und die Wohnkosten zusammenfassen soll.
Aus der Union kamen erneut Signale zugunsten einer schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl am 27. September. "Zwischen den bürgerlichen Parteien Union und FDP gibt es die größten inhaltlichen Schnittmengen", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Für die CDU stehe seit langem fest, dass sie in der nächsten Legislaturperiode eine Koalition mit der FDP anstrebe.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wiederum verwies darauf, dass Westerwelle eine mögliche Ampelkoalition nach der Wahl in Hannover nicht explizit ausgeschlossen habe. Er sehe in einer Reihe von Bereichen "programmatische Schnittmengen mit der FDP", etwa in der Außen- oder Gesellschaftspolitik, sagte der Außenminister. Sollte es für Rot-Grün nicht reichen, könne er sich eine Ampel-Koalition "gut vorstellen".
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck zeigte sich am Sonntag in einem Zeitungs-Interview überzeugt, dass Westerwelle auch eine Ampel-Koalition eingehen werde. "Egal, was Guido Westerwelle heute sagt: Er wird nach der Wahl auch zu einer Ampel-Koalition bereit sein, um regieren zu können", sagte Struck. "Sonst riskiert Westerwelle, dass seine Partei bis 2013, also insgesamt 15 Jahre, in der Opposition verbringt. Das hält Westerwelle nicht durch."
Zu Beginn des Parteitages war Westerwelle am Freitag mit 95,8 Prozent der Stimmen als FDP-Chef wiedergewählt worden. Das ist sein bislang bestes Ergebnis. Auch seine Stellvertreter Rainer Brüderle, Andreas Pinkwart, Cornelia Pieper sowie Generalsekretär Dirk Niebel waren in ihren Ämtern bestätigt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen