Koalitionsplan mit CDU in Thüringen: Widerstand in SPD formiert sich
Revolte der Parteibasis, ätzende Leserbriefe, Morddrohungen gegen den Parteichef: Der Thüringer SPD-Spitze bläst nach der Entscheidung für eine Große Koalition ein Sturm ins Gesicht.
BERLIN taz Thüringens SPD-Vorsitzender Christoph Matschie hat eine Morddrohung erhalten. Am Sonntag erreichte ihn ein Drohbrief, der eine Patrone enthielt. Der anonyme Täter, nach dem die Polizei fahndet, kritisierte darin die Entscheidung des SPD-Landesvorstandes vom vergangenen Mittwoch, mit der CDU statt mit Linken und Grünen Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Matschie, dessen Personenschutz verstärkt wurde, ist aber nach Einschätzung des Landeskriminalamtes nicht ernsthaft gefährdet.
Doch auch jenseits krimineller Attacken sieht sich die SPD-Landesführung nach dem Koalitionsbeschluss heftiger Kritik der Basis ausgesetzt. Die tendierte nach dem Debakel der Bundestagswahl mit deutlicher Mehrheit zu einem Linksbündnis, wie sich jetzt an den Reaktionen aus den Kreisverbänden zeigt. Vermutlich wird aber wegen einzuhaltender Fristen aus formalen Gründen die Absicht scheitern, noch vor dem 30. Oktober einen Sonderparteitag einzuberufen. Bis zu diesem Datum wollen CDU und SPD bereits ihre am Mittwoch beginnenden Koalitionsverhandlungen abschließen. "An der Basis brodelt es, da müssen wir eine schnellere Lösung suchen", zitiert die Südthüringer Zeitung Freies Wort die Nordhäuser Kreisvorsitzende Dagmar Becker. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, der im Landesvorstand für ein Linksbündnis plädiert hatte, will deshalb am Sonnabend in Erfurt eine Basiskonferenz einberufen, die den Widerstand gegen Schwarz-Rot organisieren soll. Matschies früherer Gegenspieler Richard Dewes brachte bereits einen Mitgliederentscheid ins Gespräch, den mindestens 400 Parteimitgliedern beantragen müssten.
Derweil versucht der Landesvorstand, mit "Sondierungsteams" in den Kreisverbänden für den Pakt mit der CDU zu werben. Landeschef Matschie ist von der Zustimmung einer Mehrheit überzeugt, "wenn der SPD ein guter Koalitionsvertrag gelingt". Leserkommentare auf den Web-Seiten Thüringer Zeitungen sind allerdings durchweg von Häme und Spott über den "Wahlbetrüger SPD" geprägt.
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