piwik no script img

Koalitionskrach um Chef der Senatskanzlei

■ Rechnungshof: Reinhard Hoffmann hat Parlament getäuscht / Rücktrittsforderung aus der CDU

In der Großen Koalition bahnt sich eine schwere Personalkrise an. Streitobjekt: Reinhard Hoffmann, engster Vertrauter von Bürgermeister Henning Scherf, dessen Staatsrat im Bildungsressort und seit der letzten Wahl Chef der Bremer Senatskanzlei. Jetzt sind Teile eines Berichtes des Bremer Landesrechnungshofes über das Wirken Hoffmanns in seiner Zeit als Bildungsstaatsrats durchgesickert, und die haben es in sich. Hoffmann habe Zahlen in Vorlagen für die Bildungsdeputation so frisiert, daß die Deputierten zustimmen konnten. Der Rechnungshof empfiehlt die Einleitung eines Verfahrens. Nun fordern nicht nur AfB und Grüne, daß Hoffmann seinen Hut nimmt.. Auch die CDU schlägt kräftig zu. CDU-Parteichef Bernd Neumann hat dem Koalitionspartner ein Ultimatum gesetzt: Innerhalb der nächsten drei Tage müsse die Angelegenheit von Bürgermeister Henning Scherf und der SPD bewertet und ein „Vorschlag zur Lösung“ unterbreitet sein. Und hinter vorgehaltener Hand wird im CDU-Haus weitergegeben, wie das gemeint ist: Hoffmann soll gehen. Wobei die SPD die Affäre viel zu hoch gehängt findet. Hoffmann selbst mochte gestern noch keine Stellungnahme abgeben. „Er will den Bericht erst mal lesen“, sagte gestern ein Senatssprecher.

Der Rechnungshof hatte sich der Sache angenommen, als im Herbst 1995 deutlich wurde, daß der Bildungshaushalt viel zu niedrig angesetzt war. Um 15 Mio. Mark war die Kasse am Ende überzogen. Wie das passieren konnte, war die Frage. Und so stießen die KassenprüferInnen auf Hoffmanns Eingriffe bei der Haushaltsaufstellung. Dabei geht es dem Vernehmen nach insbesondere um das Schulreparaturprogramm, in dem weit mehr Geld ausgegeben wurde, als drin gewesen war. Noch zwei Jahre zuvor war das Bildungsressort heftig gescholten worden, weil es trotz der stetigen Klagen über löchrige Schuldächer nicht den Bauetat ausgeschöpft hatte. Im darauffolgenden Jahr entsprachen die Ausgaben genau der Planung.Doch als wiederum ein Jahr später ein Fachreferent aus der Bildungsbehörde seinem Staatsrat Hoffmann mitteilte, geplante Mehrausgaben für Schulbauten seien nicht gedeckt, da habe Hoffmann per ordre de mufti die Zahlen schlicht so manipuliert, daß keine ParlamentarierIn in der Deputation eine Ahnung haben konnte, welchem Zahlenwerk sie da zustimmte. Das hat schon im letzten Jahr zu Unmut geführt. Nun hat der Rechnungshof die Vorwürfe noch einmal bekräftigt und einen Sturm gegen Hoffmann ausgelöst.

„Das kann auch die CDU nicht durchgehen lassen, ereiferte sich gestern die AfB-Bürgerschaftsabgeordnete Elke Kröning. „Das Maß bei Herrn Hoffmann ist voll.“ Schließlich habe der Staatsrat das Parlament schon einmal getäuscht, als er über die Finanzierung der Ausstellung „Peter der Große“ falsche Zahlen in Umlauf gebracht habe. Genau das bringt auch die Grünen auf die Palme. „Hoffmann ist ein Wiederholungstäter“, wetterte der Grünen-Sprecher Dieter Mützelburg. „Offensichtlich ist er nicht bereit, sich an demokratische Spielregeln zu halten. Ein solches Vorbild an der Spitze des Verwaltungsapparates verdirbt die Sitten.“

Alle Welt fühlt sich getäuscht und fordert direkt oder verpackt den Rücktritt Hoffmanns - nur nicht die SPD. „Es ist nicht seriös, so über Leute herzufallen“, kommentierte SPD-Fraktionschef Christian Weber. „Ich bin ganz sicher, daß eine weitere Prüfung zugunsten Hoffmanns ausgehen wird.“ Ansonsten habe er den Bericht genauso wenig vorliegen wie alle. Der liegt seit Wochen zur Stellungnahme im Bildungs- und Finanzressort. Da soll eine Politikerin eine Stellungnahme abgeben, die bis zum Ende der letzten Legislaturperiode noch als Abgeordnete in der Bildungsdeputation gesessen hatte: die jetzige Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs. Gelesen habe sie den Bericht noch nicht, sagte sie gestern der taz. Daß der Bauetat überzogen werden würde, das habe ich damals nicht übersehen. Aber ich meine, das war geordnet.“

Wie das von der CDU gesetzte Ultimatum eingehalten werden kann, das war gestern noch unklar. henning schgerf ist noch bis zum Ende der Woche im Urlaub. Was allerdings die CDU nicht daran hindert, weiterhin einen scharfen Ton anzuschlagen: „Das ist das Problem der SPD“, sagte gestern ein Sprecher.

Von Reinhard Hoffmann war keine Stellungnahme zu bekommen. Ein Senatssprecher: „Er muß den Bericht erst mal lesen.“ J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen