Koalitionsbildung in Schleswig-Holstein: Auf Jamaika-Kurs
Kurz sah es nicht so gut aus. Nach den Krisengesprächen wollen Grüne und FDP nun doch einen Koalitionsvertrag mit der CDU unterzeichnen.
Darin war abzulesen, warum es beim eigentlich als unproblematisch eingestuften Themenkomplex Wirtschaft und Verkehr schwer hakte. Das von einer zwölfköpfigen Fachkommission ausgearbeitete Papier, in dem sich CDU, FDP und Grüne gemeinsam auf den Bau der Fehmarnbelt-Querung und den Weiterbau der A20 geeinigt hatten, passte den Grünen doch nicht.
Die Spitzen um Finanzministerin Monika Heinold und Umweltminister Robert Habeck verlangten am Mittwochmittag Nachverhandlungen. Wohl auch deshalb, weil die FDP schon dienstags über die Lübecker Nachrichten verbreiten ließ, dass die Grünen der liberalen Linie gefolgt seien. Dabei war vereinbart worden, nur gemeinsam vor die Presse zu treten.
Verhandeln in der Nacht
Also setzten die Grünen sich dafür ein, weitere grüne Punkte in das Papier mit reinzunehmen – „sowieso ein normaler Vorgang“, fand Heinold, „wir verhandeln bis in die Nacht hinein, da können einzelne Formulierungen nicht immer perfekt passen und müssen nachgebessert werden.“
Die Grünen wünschten sich zum Beispiel diese Passage: „Gerade im Bereich der Mobilität befindet sich die Gesellschaft im Wandel. Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt, emissionsfrei, flexibel. ÖPNV und Individualverkehr werden immer mehr miteinander verschmelzen. Unterstützt von der digitalen Entwicklung werden Menschen zunehmend diverse Verkehrsmittel kombinieren (share-mobility, modal-Split).“
Wolfgang Kubicki
Union und FDP hatten nur auf die Wichtigkeit einer gut ausgebauten Infrastruktur hingewiesen. In weiteren 19 Punkten forderten die Grünen ebenfalls Nachbesserungen, teils kleinere und größere. FDP-Machtspieler Wolfgang Kubicki befand: „Die Grünen drehen einige Punkte um 180 Grad.“ Also erhöhte er am Donnerstag den Druck und teilte mit, dass die Chancen einer Jamaika-Koalition maximal noch eine 20-Prozent-Chance hätten.
Kritik an der FDP
Den Liberalen war derweil – auch aus CDU-Kreisen – vorgeworfen worden, sich in den einzelnen Fachgruppen kaum konstruktiv zu geben. Am Donnerstag und Freitag berieten sich die Parteispitzen viele Stunden hinter verschlossenen Türen. Am Ende einigte man sich auf ein gemeinsames Papier zu Wirtschaft und Verkehr, das die Parteien erst nach Redaktionsschluss vorstellten – und auf einen weiteren Fahrplan.
So sollen bis Montagabend die weiteren Arbeitsgruppen Positionspapiere vorlegen, die von der sogenannten Steuerungsgruppe voraussichtlich am Dienstag besprochen werden. Am Abend kommt dann die große Koalitionsrunde zusammen. Sie soll den Koalitionsvertrag festzuzurren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“