Koalition prüft Verlängerung: AKW-Laufzeiten von bis zu 60 Jahren
Die schwarz-gelbe Koalition lässt Laufzeitverlängerungen von bis zu 28 Jahren durchrechnen. Das könnte bedeuten, dass der letzte deutsche Reaktor erst nach 2050 abgeschaltet würde.
BERLIN apn/dpa | Die Bundesregierung prüft derzeit Laufzeiten von bis zu 60 Jahren für Atomkraftwerke. Das bestätigten Unionspolitiker am Freitag in Berlin. Sie wiesen ebenso wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen darauf hin, dass diese Prüfung keine Vorfestlegung bedeute, die Kernkraftwerke über 2022 hinaus am Netz zu lassen. Für den SPD-Vorsitzenden und früheren Umweltminister Sigmar Gabriel ist die Bundesregierung trotzdem "von allen guten Geistern verlassen".
Laut "Süddeutscher Zeitung" haben sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium sowie das Kanzleramt darauf verständigt, auch eine Laufzeitverlängerung um 28 Jahre förmlich prüfen zu lassen. Noch am Mittwoch hatte Röttgen gesagt, es gehe um eine Verlängerung von "maximal 20 Jahren". Er hatte sich zunächst dafür eingesetzt, die Regellaufzeit von 32 Jahren um höchstens 8 Jahre zu verlängern.
Nach dem bisher geltenden Atomausstieg müssen die Reaktoren abgeschaltet werden, sobald sie eine Strommenge erzeugt haben, die 32 Jahren Betrieb entspricht. Nun will die Koalition zwar weiterhin vier Szenarien errechnen lassen, nun aber für Laufzeitverlängerungen von vier, zwölf, 20 und 28 Jahren. Das hätte laut "Süddeutscher Zeitung" zur Folge, dass der letzte deutsche Reaktor erst nach 2050 abgeschaltet würde.
SPD-Chef Gabriel sagte im Deutschlandradio Kultur, die mögliche Verlängerung der Reaktorlaufzeiten auf insgesamt 60 Jahre mache ihm Angst. Es sei unverständlich, wie man "älteste Schrottmeiler" wie Biblis, Krümmel oder Brunsbüttel weiterlaufen lassen könne. Es gehe in der Diskussion über die Laufzeitverlängerung vor allem darum, "dass Kraftwerksbetreiber mit einem alten, abgeschriebenen Atomkraftwerk eine Million Euro am Tag verdienen" könnten.
Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Ich glaube, dass es auch eine Frage der Verantwortung ist, die man gegenüber der Öffentlichkeit hat, dass man jetzt nicht irgendwelche Fantasiezahlen in die Welt setzt." Für welches Szenario die Bundesregierung die besten Argumente habe, werde momentan durch die Berechnung verschiedener Laufzeit-Szenarien ermittelt. In der Regierung sei vereinbart, jetzt keine Laufzeit-Prognose abzugeben. Zunächst müsse "ein verlässliches Gerüst an Zahlen" erarbeitet werden.
Am Nachmittag will der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zum geplanten Atommüllendlager Gorleben einsetzen. Dafür ist eine Mehrheit von 25 Prozent der Stimmen nötig. SPD, Linke und Grüne befürworten den Ausschuss und stellen deutlich mehr als ein Viertel der Abgeordneten. Der Ausschuss soll klären, ob die Regierung Kohl in den 80er Jahren bei der Vorauswahl eines Endlagerstandortes so Druck ausgeübt hat, dass die Wahl auf den Salzstock in Niedersachsen fiel.
Der CDU-Politiker Reinhard Grindel sagte im Südwestrundfunk, der Behauptung, die damalige Regierung habe Gutachten aus dem Jahr 1983 beeinflusst, hätten beteiligte Wissenschaftler widersprochen. Insgesamt habe er keinen Zweifel, dass alle Entscheidungen zur Erkundung "korrekt vonstattengegangen" seien.
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