Koalition in Norwegen bestätigt: Rot-rot-grünes Erfolgsrezept
Rot-Rot-Grün hat in Norwegen zum zweiten Mal die Parlamentswahlen gewonnen. Die Wähler honorierten dabei vor allem das erfolgreiche Krisenmanagement der Koalition.
STOCKHOLM taz | „Vier neue Jahre, vier neue Jahre“, skandierten jubelnde Sozialdemokraten am Montagabend in Oslo, als das Wahlresultat feststand. Die Koalition unter Ministerpräsident Jens Stoltenberg konnte sich bei den Wahlen am Montag eine parlamentarische Mehrheit sichern und schaffte damit als erste Regierung seit 16 Jahren das Kunststück, nach einer Parlamentswahl im Amt bleiben zu können.
Von einer „historischen Wahl“ sprach Wahlsieger Stoltenberg: Rot-rot-grün habe sich für Norwegen als „Erfolgsrezept“ erwiesen. Im einst „roten“ Skandinavien ist Norwegen mit dieser Konstellation das einzige sozialdemokratisch geführte Land geblieben.
Mit 86 rot-rot-grünen Parlamentssitzen gegenüber 83 für die bürgerlichen Oppositionsparteien war das Ergebnis ähnlich knapp wie vor vier Jahren. „Wir haben in einer international schwierigen Lage Wirtschaft und Arbeitsplätze gesichert“, erklärte Jens Stoltenberg selbst seinen Erfolg: „Und das ging gleichzeitig nicht auf Kosten unseres Sozialsystems. Wir konnten den Wohlfahrtsstaat weiter sichern und ausbauen.“
Die meisten Analytiker stimmen dem zu. Rot-rot-grün gewann durch ihr Krisenmanagement. Norwegen wurde von der Regierung – jedenfalls bislang - nahezu unbeschadet durch die Finanzkrise gesteuert. Zwar wurde auch die norwegische Exportindustrie hart getroffen. Doch mit Hilfe von Ölgeldern, die Oslo beispielsweise für Infrastrukturprojekte zusätzlich in den Wirtschaftskreislauf gepumpt hat, konnte die Arbeitslosigkeit auf drei Prozent – die niedrigste in Europa, aber rekordhoch für Norwegen - begrenzt werden und sinkt nun wieder.
Die Koalition konnte auch gewinnen, weil es auf der Oppositionsseite keine eigentliche Alternative gab. Dort hatte man sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt einigen können. Siv Jensen, die Vorsitzende der rechtspopulistisch-ausländerfeindlichen Fortschrittspartei, der hinter den Sozialdemokraten zweitstärksten Partei, beanspruchte zwar diese Führungsposition. Bekam dabei aber nur Rückhalt durch eine der der übrigen bürgerlichen Parteien. Sowohl die liberale „Venstre“ als auch die Christdemokraten lehnten schon vorab unter Hinweis auf die „unanständige Ausländerpolitik“ der Fortschrittspartei, die mit dem Gespenst einer angeblichen schleichenden Islamisierung des Landes auf Stimmenfang gegangen war, eine Regierungszusammenarbeit ab. Die konservative „Høyre“ konnte sich eine solche Rechtskoalition vorstellen – aber nur unter Führung ihrer Vorsitzenden Erna Solberg.
Die Polarisierung und die klaren Alternativen, die der weithin unter dem Motto „Jens contra Jensen“ geführte Wahlkampf mit sich brachte, nutzten den drei großen Parteien. Sowohl die Sozialdemokraten, die mit einem Plus von 2,8 auf 35,5 Prozent kamen, wie Fortschrittspartei (22,9, plus 0,9) und Konservative (17,2, plus 3,1) konnten zulegen. Letztere auf Kosten der Christdemokraten und der Liberalen, die es mit 3,8 Prozent überhaupt nicht mehr über die Sperrklausel schafften. Siv Jensen kündigte an, ihre Fortschrittspartei werde nun darauf hinarbeiten, rot-rot-grün bei den Wahlen 2013 abzulösen: Sie hoffe, dass bis dahin auch die anderen bürgerlichen Parteien die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit und einer klaren Alternative einsehen würden.
Im rot-rot-grünen Lager konnte das Zentrum – eine grüne Mittepartei – mit 6,2 Prozent ihren Wähleranteil knapp behaupten. Während die rot-grünen Linkssozialisten auf 6,1 Prozent zurückgingen und mit 2,7 Prozent in etwa das verloren, was sie Sozialdemokraten dazugewinnen konnten. Die Linkssozialisten hatten sich in der letzten Legislaturperiode vorwiegend mit dem Klima- und Umweltfokus profiliert – Themen, die im Wahlkampf dann stark ins Hintertreffen geraten waren. Dass sich die Partei bei einigen ihrer zentralen Programmpunkte, wie einer Verlangsamung des weiteren Ausbaus der Ölförderung gegenüber den Sozialdemokraten nicht durchsetzen konnte, dürfte auch viele ihrer enttäuschten Anhänger veranlasst haben, überhaupt nicht zu den Wahlurnen zu gehen. Die Wahlbeteiligung in Norwegen war mit 73,7 Prozent die niedrigste seit 1927.
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