■ Koalieren mit der PDS?: Politisches Legoland
Man muß die Kirche wirklich im Dorf lassen. Natürlich hat die Grünen zu interessieren, wie es nach den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 1995 (!) in Berlin jenseits der Großen Koalition weitergehen kann. Solche Gedanken sind deshalb völlig legitim. Das Papier aber, in dem drei Parteilinke ihren Wunsch nach einer PDS- SPD-Grünen-Koalition darlegen, ist nur eines von rund einem Dutzend kursierenden Gedankenspielen – die alle diese PDS-Option ablehnen. Wer dies Pro-PDS-Papier zu einer durchsichtigen Staatsaktion wg. Bundestagswahlen aufbläst, muß deshalb verschweigen, daß diese drei Autoren einfache Parteimitglieder ohne Funktion sind. Die CDU würde sich zu Recht beklagen, wenn sie für alle Äußerungen ihrer Mitglieder verantwortlich gemacht würde.
Wichtiger für die linke Debatte sind deshalb die inhaltlichen Mängel des Papiers. Die sind gravierend. Die Autoren verschweigen, welche Reformprojekte sie denn mit einem Partner PDS verwirklichen wollen. Nicht nur dabei drängt sich der Eindruck auf, hier würden in alter linker Manier Bündnisse geschmiedet, bei denen die Inhalte letztlich egal und austauschbar sind, weil es einzig um Machtphantasien geht. Anzumerken ist den Strategen bei ihrer Suche nach neuen Mehrheiten zugleich der Wunsch, durch eine PDS-Koalition aus der eigenen randständigen Existenz in den Berliner Grünen herauszukommen. Man hofft, in einer derartigen Koalition das radikallinke Lager quasi parteiübergreifend durch jene zu verstärken, die in den letzten Jahren die ehemalige Alternative Liste Richtung PDS verlassen haben. Richtig ist, daß die Grünen ohne einen systemkritischen Anspruch Gefahr laufen, gegenüber der PDS unterzugehen. Das gilt insbesondere für Ostberlin, das beim gegenwärtigen innerparteilichen Burgfrieden den Bündnisgrünen wie ein Reservat überlassen wird. Wer die PDS ernst nehmen will, muß aber noch lange nicht mit ihr koalieren.
Völlig außer acht gelassen bei diesem politischen Sandkastenspiel werden außerdem die Partner. Wenn schon bei den Grünen keinerlei Mehrheiten für diesen verwegenen Plan zu gewinnen sind, so gilt dies erst recht für die SPD. Beiden Parteien stünden unglaubliche Zerreißproben bevor. Wer sich einzig aus Europa-Wahlergebnissen neue Mehrheiten addiert, beweist deshalb nur eines: Rote, rosa und grüne Bausteinchen kann man beim Lego zusammenstecken, mit Politik hat das nichts zu tun. Gerd Nowakowski
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