: Knorke Kerls
Heimlich, still und leise zum Massenerfolg: Die Beatsteaks sind auf Tournee und müssen sich bald um ihre Glaubwürdigkeit als Punkrocker sorgen
VON ANDREAS HARTMANN
Wer sich heute in Berlin für deklassiert hält, gründet keine Punkband mehr, sondern er wird Rapper. Wenn mal wieder von der neuen Unterschicht die Rede ist, sucht man nicht mehr im traditionellen, punkgeschichtlich geprägten Autonomenbezirk Kreuzberg nach Arbeitslosen als Kronzeugen, sondern fahndet zwischen Märkischem Viertel und Rütli-Schule nach echten Ghettobewohnern, von denen in den Texten von Bushido und anderen Vertretern der neuen Rapunterklasse berichtet wird.
Was macht dann nun der Punk in so einer Lage? Er konserviert einfach seine eigene Geschichte und verkauft diese Konserve in immer neuer Verpackung. Und manchmal, mit etwas Glück, wenn alles gut geht, wird man auch als einfach nur ziemlich okaye Punkrockband aus Berlin so richtig riesig. So wie die Beatsteaks. Sie sind längst noch nicht so bekannt wie etwa die Toten Hosen oder die Ärzte, sie sind noch keine dieser typisch deutschen Institutionen, die es schon gab, als man geboren wurde, und die es noch geben wird, wenn man nicht mehr sein wird. Aber die Beatsteaks haben Erfolg, immensen Erfolg, beinahe still und heimlich haben sie sich nach immerhin fast ganz oben gearbeitet. Ihr neues Album „.limbo messiah“ stieg auf Platz drei in den deutschen Charts ein, und die nun laufende Tournee ist bereits weitgehend ausverkauft, Zusatztermine sind anberaumt. Es gibt keine andere auf Englisch singende Band in diesem Land, der man Ähnliches zutraut.
„.limbo messiah“ ist das fünfte Werk der Band innerhalb von zehn Jahren. Im Durchschnitt alle zwei Jahre ein neues Album, das zeugt von Kontinuität und Arbeitswillen, recht unpunkigen Eigenschaften, ohne die man in diesem Business aber einfach nichts mehr wird. So wie es mit ihrem Erfolg kerzengerade steil nach oben ging, so sehr sind auch die Typen in der Band einfach geradeaus. Echte Kumpels, Jeanstypen, Biertrinker, Arbeiter auf der Bühne und auch schon vor der Musik: Arbeiter. Bassist Torsten Scholz etwa war vor seinem Einstieg bei den Beatsteaks Elektrosignal-Mechaniker. Hier gehen echt noch fünf gemeinsam durch dick und dünn, auf Bandfotos umarmen sie sich immer gerne gegenseitig, richtig süß sieht das beinahe aus, knorke Kerls mit Herz. Diese Jungs, alle keine Twens mehr, sind jung geblieben, wollen keine Stars sein, sind wie du und ich, haben keine Allüren, ihr Leben ist die Musik, Freundschaft geht ihnen über alles. Dieses selbst entworfene Bild transportieren die Beatsteaks perfekt und – ganz wichtig – glaubwürdig. Dazu kommt natürlich immer auch Berlin, am liebsten ein Betonberlin, vor dem man auf Fotos in Schwarz-Weiß posiert. Sieht dann ein wenig aus wie The Clash 1978 in London, also so, wie es sein soll.
Inzwischen ist die Band in einer Liga angekommen, in der sie Jürgen Vogel – auch so ein grundehrlicher, kerniger, ein wenig räudiger Typ – ihren Freund nennen darf. Vogel spielt auch mit bei dem kleinen selbstironischen Filmchen, das extra für die Sonderedition von „.limbo.messiah“ gedreht wurde. Punkrocker, die die Charts abräumen und mit deutschen Filmstars verkehren, dabei aber immer noch so tun, als müssten sie sich von Fertigpizza und Schultheiss ernähren, das könnte irgendwann gefährlich werden für die Glaubwürdigkeit, da lauert der Campinoeffekt. Doch noch kann man die Beatsteaks nicht wirklich peinlich finden, und „.limbo.messiah“ ist auch keine schlechte Platte. Man versucht hier sogar, mal mehr als nur den gut produzierten Powerpunk abzuliefern. Sänger Arnim Teutoburg-Weiss singt sogar in einer Nummer im Falsett und nähert sich Justin Timberlake. Wobei: Teutoburg-Weiss selbst findet eher, er klänge da wie Curtis Mayfield. An den Exfreund von Britney Spears zu erinnern, das will man den Fans dann doch nicht zumuten.
Beatsteaks: „.limbo.messiah“ (Warner), Konzerttermine mit Restkarten auf www.beatsteaks.org