: Knast im Münchner Schmiergeldprozeß
■ Sechs Jahre und neun Monate für städtischen Bauleiter/ Auch drei Siemens-Manager müssen ins Gefängnis
München (ap/taz) Vier der zehn Hauptangeklagten im Münchner Schmiergeldprozeß sind gestern zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Das größte Strafmaß mit sechs Jahren und neun Monaten verhängte das Landgericht München über den städtischen Bauleiter Obendorfer unter anderem wegen Bestechlichkeit und Betrugs. Fünf Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen; einer bekam eine Geldbuße.
Der frühere technische Vorstand der Siemens-Zweigniederlassung München muß dem Urteil zufolge für 32 Monate ins Gefängnis, ein Abteilungsdirektor erhielt eine Freiheitsstrafe von 40 Monaten. Zu 27 Monaten Haft wurde ein weiterer Mitarbeiter des Konzerns verurteilt. Gegen Zahlung von Geldbußen zwischen 75.000 und 120.000 Mark setzte das Gericht die Freiheitsstrafen zwischen 15 Monaten und zwei Jahren für fünf weitere Siemens-Mitarbeiter zur Bewährung aus.
Wie der Prozeß ergab, hatten die Mitarbeiter dem Mittelsmann Joseph Kramer drei Prozent der Nettoauftragssumme bezahlt, um für den Konzern Aufträge in Millionenhöhe für die Klärwerke München I und II zu sichern. Zwei Drittel der Summe waren an den städtischen Angestellten Obendorfer gegangen. Der Vorsitzende Richter Günter Bechert charakterisierte Obendorfer als Opfer und Täter in einer Person. Bei schlechter Bezahlung habe er mit Millionen-Summen umgehen müssen. „Er wurde in Versuchung geführt und erlag ihr leider“, sagte Bechert. Die Strafen lagen mit einer Ausnahme erheblich unter dem Antrag der leitenden Oberstaatsanwältin Ursula Lewenton. Entgegen ihrer Forderung blieben die Haftbefehle gegen die zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilten Siemens- Manager außer Vollzug.
Siemens betrachte sich als ein Haus, das „nach Anspruch und Ethos etwas besonderes ist“, sagte Richter Bechert. Dabei komme ein „Kasten- Denken zum Vorschein, wie es heute selten ist“. Die Firmenleitung übe ungeheuren Druck auf den einzelnen Mitarbeiter aus, damit dem Unternehmen Großprojekte zukämen.
Obendorfers Verteidiger Steffen Ufer kündigte Revision gegen das Urteil an. Auch die meisten Anwälte der Siemens-Angeklagten wollen das Urteil anfechten.
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