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■ Urdrüs wahre KolumneKnast-Abo für Hennemann

Deutschland schlägt England, na Wahnsinn. Andi Möller Fußballgott und jeder Bert im Land ein Vogts. Doch manche denken wieder nur an das Eine und bieten in der biederen Landfleischerei im Schaumburgischen den schweinehackgefüllten Plastikdarm mit schwarz-rot-goldener Schärpe als Siegerwurst an. Wehe aber den Besiegten!

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Im 1100-jährigen Dorf Exten bei Rinteln gingen unterdessen die Jubiläumsfeierlichkeiten nach dem Höhepunkt mit Supernase Mike Krüger zuende mit einem beifallsumrauschten Auftritt der Bremer Schlagertruppe LARS VEGAS & DIE HEITERKEIT. Die dann prompt die Gelegenheit nutzte und unter den vielen hundert Besuchern eine Spendensammlung unter dem Motto „taz-Knast-Abo für den Vulkanesen Friedrich Hennemann“ durchführte.

Allerdings kamen dabei nur Dreimarkvierundachtzig zusammen, obwohl die volkstümlichen Stars sich voll mit ihrem Promi- Bonus in die Sache reinhängten. Was in Exten scheiterte, könnte ganz im Sinne des neuerlichen Überlebenskampfes dieses Blattes in Bremen erfolgreich sein. Wär ich zum Beispiel der hilfsweise Reeder Grobecker oder Senatsbarkassen-Kapitän Uwe Beckmeyer oder Hallers Frank oder Handball-Jens: Ich würde dem Hennemann doch sofort ein Abo nach Oslebs spendieren. Ist man erst selber dran und drin – wie soll man die Solidarität einklagen, die anderen verwehrt wurde?

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Zutiefst scheinheilige Damen im Doppelpack erlebte ich dieser Tage im öffentlichen Freibad: Trotz frösteliger Temperaturen von allenfalls 20 Grad holen sich diese beiden Töchter des Volkes barbusig ihre Portion Pommes rotweiß am dazugehörigen Kiosk, und fragt die eine angesichts einer sphinxenden Schar von vielleicht vierzehnjährigen Knaben im unverfälschten Slang der ehemaligen Steinkohlereviere zwischen Bottrop und Castrop-Rauxel in den wolkenverhangenen Himmel hinein „Weissjaarnichwattetdazukuk-kenjibteffelin!“

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Daß im Rundfunkrat von Radio Bremen mit Hilfe einer Allparteienkoalition von Spinatnudelgrün bis Fußnägelschwarz künftig jugendliche Arbeitslose und Muftis aller Hautfarben kein Mitspracherecht mehr haben, liegt in der Logik des Rollback auf allen Ebenen ebenso wie in der weitverbreiteten Krötenschluckerei. Und daß die Herren Draufunddrans vom Bundeswehrverband jetzt selbst darüber wachen dürfen, daß ihre klarlackversiegelten Masken nicht mehr über Tucholsky- Zitate in Funk und Fernsehen entgleisen, sehen wir ja auch noch ein. Aber who the fuck wird präsentiert durch Onkel Erich Röper vom Deichverband? Die Fraktion der konsequenten Stehendpisser? Die Hamburg-Mannheimer-Landesgesellschaft der Freunde von Herrn Kaiser oder die Stammbesucher der Interfraktionellen Skatrunde im Café Rippe? Für euch gibt's doch schon den Kaffeepott! Und bald auch noch lange Öffnungszeiten, damit ihr euch über die Krampfaderleiden des Verkaufspersonals belustigen könnt. Gut leiden aber kann ich euch deswegen noch lange nicht!

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In einem Land, das gern und öffentlich über Möglichkeiten nachdenkt, Behinderte von ihren Leiden zu erlösen, beunruhigt mich diese Überschrift aus dem Evangelischen Pressedienst über die durchaus ehrbare Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz ungemein: „Sterbebegleitung hat hohe öffentliche Akzeptanz“. Und natürlich ist das alles ganz anders gemeint und gedacht, aber meine Pappenheimer mit der Siegerwurst, die kenne ich ziemlich gut.

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Gestern sah ich eine Frau, die ihrem Töchterchen am Eisstand mit einer Zeitung aus hier nicht zu erörternden Gründen wuchtig über den Kopf schlug. Die Zeitung hieß ADAC-Motorwelt. So aber lernt Hannchen beizeiten, was Hanna wissen muß!

Ulrich Reineking- Siebenschläfer

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