Knapp ins EU-Parlamentspräsidium gewählt: Denkzettel für Koch-Mehrin
Das Europa-Parlament hat Silvana Koch-Mehrin zur Vizepräsidentin gewählt - allerdings erst im dritten Anlauf. Ihr FDP-Chef Westerwelle ist nun sauer auf die Union
STRASSBURG afp/ap/dpa7taz | Bisher ging in der politischen Karriere von Silvana Koch-Mehrin stets alles glatt. 2004 verschaffte sie der FDP als deren Spitzenkandidatin den Wiedereinzug ins Europaparlament, fünf Jahre später verbesserte sie das Ergebnis auf sensationelle elf Prozent.
Doch nun musste die Powerfrau der FDP eine deftige Ohrfeige hinnehmen: Im Europaparlament schaffte die Politikerin erst im dritten Anlauf den Sprung ins Präsidium. Bei den ersten beiden Durchläufen hatte Koch-Mehrin noch das mit Abstand das schlechteste Ergebnis von allen 15 Bewerbern erzielt.
Die 38-Jährige nahm das Votum sichtlich erleichtert auf. "Ich freue mich, dass die Vernunft gesiegt hat", sagte Koch-Mehrin. Das strahlende Lächeln, mit dem sie noch vor einigen Wochen auf allen Wahlkampfplakaten um Stimmen für die FDP geworben hatte, war allerdings aus ihrem Gesicht verschwunden.
Schließlich lag sie in den beiden ersten Durchgängen hinter dem Polen Michal Tomasz Kaminski von der rechtslastigen PiS-Partei, der im Parlament mehrfach mit rassistischen und schwulenfeindlichen Parolen aufgefallen war.
Dass sie schließlich doch gewählt wurde, verdankt die FDP-Politikerin vermutlich den Grünen. Sie hatten im dritten Durchgang zähneknirschend für Koch-Mehrin gestimmt – um Kaminski den Weg zu versperren. Zwischen "zwei Übeln" hätten sich die Grünen für das geringere entschieden, sagte ein Fraktionssprecher. Koch-Mehrin habe aber einen Denkzettel verpasst bekommen.
Um die 14 Posten der Vize-Präsidenten hatten sich 15 Abgeordnete beworben. Gemäß Geschäftsordnung schied der Kandidat mit dem schlechtesten Ergebnis aus. Mit 174 von 644 gültigen Stimmen war das letztlich Kaminski. Koch-Mehrin brachte es auf 186 Stimmen – das zweitschlechteste Resultat.
Die Blamage kam nicht ganz unerwartet. Zahlreiche Abgeordnete werfen der Politikerin schon seit langem vor, mehr in Talkshows und People-Magazinen zu glänzen, als im Europaparlament. Worin natürlich immer auch ein wenig Neid mitschwingt.
Allerdings leidet darunter offenbar Koch-Mehrins Anwesenheit im Parlament. Nach Angaben der Parlamentsverwaltung kommt die dreifache Mutter auf eine Anwesenheitsquote von 62 Prozent bei Plenarsitzungen, Mutterschutzzeiten bereits herausgerechnet. Koch-Mehrin zweifelt die Berechnungsmethode der Parlamentsverwaltung an und spricht selbst von einer Anwesenheitsquote von 75,5 Prozent.
Diese Zahlenspiele haben der 38-Jährigen im Parlament viel Spott eingetragen, waren für die Wahl am Dienstag aber wohl nicht ausschlaggebend. Verärgert sind viele Abgeordnete vor allem darüber, dass Medienliebling Koch-Mehrin gern mal das Verhalten ihrer Kollegen ins Visier nimmt.
Das Parlament locke viele Prostituierte
Übelgenommen wurde der Politikerin vor allem ein Interview mit der Bunten. Darin hatte sie im November ihren Parlamentskollegen vorgeworfen, mit einem lockeren Lebenswandel während der Straßburger Plenartagungen massenweise Prostituierte anzulocken. Dann gehe es zu "wie im Landschulheim – nach dem Motto: Hier kennt mich keiner, hier kann ich machen, was ich will".
Nach heftigen Protesten ruderte Koch-Mehrin zurück. In einem Brief an alle Abgeordneten entschuldigte sich die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die mit ihrem irischen Lebensgefährten drei Kinder hat, für ihre Äußerungen.
Vielen Konservativen reichte das offenbar nicht: Unter den Unions-Europaabgeordneten gebe es "erhebliche Zweifel" an der Qualifikation Koch-Mehrins für das Amt einer Vize-Präsidentin, sagte Markus Ferber (CSU) vor der Wahl.
Trotz der harschen Kritik stellte sich die FDP-Spitze demonstrativ hinter ihre Spitzenkandidatin. FDP-Parteichef Guido Westerwelle ist empört wegen der Haltung der Union bei der Wahl von Koch-Mehrin. "Diese Fortsetzung der großen Koalition im Europaparlament ist kein gutes Vorzeichen für Deutschland", sagte Westerwelle am Mittwoch der Bild-Zeitung. "Zuverlässigkeit sieht anders aus." FDP und Union wollen nach der Bundestagswahl im Herbst eine Koalition bilden, wenn sie dafür eine Mehrheit bekommen.
Dass die Unionsabgeordneten lieber Sozialisten und Rechtskonservative aus Nachbarländern als die FDP-Spitzenkandidatin gewählt hätten, sei besorgniserregend und auch gegen deutsche Interessen gerichtet, erklärte Westerwelle. Er führt die vielen Gegenstimmen für Koch-Mehrin im Europaparlament auf "neidische Parteitaktik von Union und SPD" zurück.
FDP-Gerneralsekretär Niebel sagte, offenbar passe es "nicht in das Weltbild der Konservativen, wenn eine Mutter von drei Kindern erfolgreich in der Politik und volksnah" sei.
Mit Blick auf die Bundestagswahl warnte er zudem vor den Folgen, die eine Abfuhr für Koch-Mehrin für die Beziehungen zwischen den Unionsparteien und der FDP haben könnte. "So entsteht jedenfalls keine Vertrauensbasis für eine künftige engere Zusammenarbeit."
Ob diese Mahnung auch einige Unionspolitiker im Straßburger Parlament zum Umschwenken brachte, ist nicht zu sagen. Die Wahl der Vize-Präsidenten ist geheim. Über den Denkzettel dürften sich aber nicht wenige freuen. Das Amt einer Vize-Präsidenten sei mit zusätzlicher Arbeit verbunden, meinte die Ko-Vorsitzende der Grünen, Rebecca Harms. "Frau Koch-Mehrin wird sich nun wohl öfters im Parlament blicken lassen müssen."
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