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Klöckner oder: Galgenfrist für Jo

■ Glosse zum Gastkommentar von Jo Müller in der taz vom 6.2.93

Was haben Jo Müller und die Köckner-Hütte gemeinsam? Totgeglaubte, -gesagte, -geschriebene leben länger!

Es gibt ihn also dank taz wieder: den lieben Jo, frech, polemisch, zynisch — nur eben nicht „up to date“. Die Hütte hat sich tatsächlich zu einem integrierten Hüttenwerk mit hohem N-t-Einsatz gemausert, weit entfernt von einer „Deppen“-Anstalt trotz aller Kapazitätsauslastungs-, Rentabilitäts- und Liquiditätsprobleme, die Jo in seinen Klöckner-Studien Ende der 70er Jahre im Kooperationsbereich Arbeiterkammer— Universität richtig diagnostizierte.

Sollte ihm entgangen sein, daß Klöckner das Enfant terrible der europäischen Stahlszene war und ist? Für keine Dreistigkeit ( Quotenüberschreitung, Preisdumping etc.) und kein Triumphieren (Umweltinvestitionen) war und ist sich das Management zu schade: Vabanquespiel auf der ganzen Linie, solange sich das Krisenrad schon dreht.

Und dieses Spiel — mit Flachstahl, lieber Jo, und nicht mit Profilen, Draht, Betonstahl — sollte die „Dreiheiligkeit aus IGM, ÖTV und SPD“ was entgegenzusetzen gehabt haben oder noch haben? Wo leben wir denn, Mahner aus der Wohlstandsdiaspora Hamburg: Etwa immer noch in den Ende 60er/Anfang 70er Jahren sozialdemokratisch-gewerkschaftlicher Hegemonie, unter der sich ein korporativistischer Kapitalismus der vollen Kassen vom Klassenkampf läuterte?

Die vereinte Gesellschaft der 90er Jahre beklagt eine über die fortschreitende Zerstörung des Sozialen vermittelte Destruktion des Politischen — und Jo beschwört in alt-maoistischer Attitüde den Primat der Politik, ihre sozialen Grundlagen verhöhnend.

Da ist die Klöckner-Belegschaft einen guten Erkenntnisschritt voraus: Über ihre unmittelbaren Arbeitsplatz- und Lebensinteressen hinaus sieht sie die ganze Region „Bremen und umzu“ in ihrem Bestand bedroht, aber auch in ihren Entwicklungsmöglichkeiten, die — entgegen Jo's Vision — in Projekten aufeinander bezogener Industrie- und Dienstleistungsproduktionen liegen. Wie 1988 die Krupp-Belegschaft in Rheinhausen, so weiß die Klöckner-Belegschaft heute um den Zusammenhang von sozialer Existenz der Menschen und der politisch-kulturellen Gestalt, die diese sich in der Kommune Bremen gegeben hat. Wahrscheinlich verteidigens- und auch von Jo unterstützenswert!

Merke: Ich höre Deine Ruf, lieber Jo: Holt mich zurück in diese Stadt! Allein mir fehlt der Glaube, daß wir Dich brauchen.

H.G. Isenberg, Hastedter Osterdeich

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