: Klitzekleinese Rädchen
■ betr.: „Meine Wirklichkeit, deine Wirklichkeit“, taz vom 1. 3. 96
Vor den auf dem Kopf stehenden „Gemälden“ von Baselitz, den Strichmännchen von Penck und den Fettecken von Beuys ehrfurchtsvoll in die Knie zu gehen, ist seit Jahren die eine Seite der „modernen“ Kunstberichterstattung. Die andere Seite: alle lächerlich machen, die diesem internationalen Modetrend nicht folgen und auch heute – wie fürchterlich! – gegenständliche und damit – entsetzlich! – verständliche Kunstwerke schaffen. Daß sich die taz mit dem Bericht in diese Verdummungspublizistik einreiht, hat mich sehr verärgert.
Statt wenigstens zu versuchen (was gewiß nicht einfach ist), sich ernsthaft mit gegenständlich arbeitenden gegenwärtigen Künstlern auseinanderzusetzen, zieht es Brigitte Werneburg vor, sich über die Realisten, dem „Zeitgeist“ entsprechend, lustig zu machen, zum Beispiel über die „sowieso am Absaufen“ stehende „alte Garde der sozialistischen Realisten“.
Merkt Frau Werneburg eigentlich gar nicht, daß sie als klitzekleines Rädchen hervorragend funktioniert in einem Trauerspiel, das die unheilige Dreieinigkeit von karrieresüchtigen Ausstellungsmachern, profitgierigen Kunsthändlern und einer modernitätsgeilen Kunstberichterstattung aufführt?
Schade, der taz hatte ich mehr zugetraut als eine solche Berichterstattung über eine Ausstellung realistischer Künstler. Klaus Achim Hübner, Neuss
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