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Kliniken sitzen auf Verpackungsmüll

■ Lieferanten boykottieren Verpackungsverordnung/ Pharmaindustrie schickt Briefe statt der geforderten Müllabfuhr/ Krankenhäuser müssen Transportverpackungen auf eigene Kosten entsorgen

Berlin. In Berlins Krankenhäusern herrscht Müllnotstand. Denn entgegen den großspurigen Versprechen der Industrie, für die Wiederverwertung der Einweg-Transportverpackungen zu sorgen, bleiben Krankenhäuser und Kliniken auf dem ganzen Zeug sitzen. An die Verpackungsverordnung, die seit Dezember vergangenen Jahres Herstellern vorschreibt, Holzpaletten, Wellpappe, Plastikfolien und Styropor nach Lieferung wieder mitzunehmen, hält sich kaum ein Unternehmen.

Lieferanten fühlen sich nicht verantwortlich, und statt privater Müllfahrzeuge kommen Briefe. Egal ob die Post von den Tabletten-Konzernen »Merck«, »Hoechst« oder »Dalhausen« stammt, beginnt jedes Schreiben mit demselben Argument: Es könne nicht im Sinne der Umweltentlastung sein, daß jeder Hersteller seine Verpackungen wieder mitnehme, weil sonst enorme Müllmengen durch die gesamte Republik gefahren würden. Ein zwischen Verbänden erarbeitetes Modell sehe vor, daß »die an Sie übersandten Transportverpackungen von Ihnen vor Ort entsorgt werden«, schreibt beispielsweise der Pillenmulti Merck. Entsorgungskosten würden anteilig übernommen.

Von Berliner Krankenhäusern und der »Deutschen Krankenhausgesellschaft« (DKG) wird dieses Vorgehen kritisiert. Roland Bolt, Leiter der zentralen Dienste im Klinikum Steglitz (über 1.000 Betten), beschwert sich, daß seit vier Monaten die Transportverpackungen nicht mehr von der öffentlichen Abfallentsorgung abgeholt würden, an private Müllentsorger aber zusätzlich gezahlt werden müsse. Da der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, daß die Hersteller die Kosten tragen, erwarteten Krankenkassen, daß die Tagessätze für Krankenhausbetten fallen — und nicht steigen. Die DKG empfiehlt Krankenhäusern, auf eine »kostenlose Rücknahme durch den Lieferanten« zu bestehen.

Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, wirft der Pharmaindustrie vor, das Ziel der Verordnung auf den Kopf zu stellen. Er wartet seit drei Monaten auf die Beantwortung einer kleinen Anfrage zur Wirksamkeit und Umsetzung des Müllminderungsgesetzes. Doch bis heute habe die Gesundheitsverwaltung nicht geantwortet. Seine Fraktion fordert vom Senat, die Verpackungsverordnung gegen die Pharmaindustrie durchzusetzen.

Achim Rothe, Umweltschutzreferent bei der Industrie und Handelskammer, widerspricht dagegen der Auffassung, Hersteller müßten auf eigene Kosten ihre Verpackungen zurücknehmen. Das stehe nicht im Gesetz. Für eine Übergangszeit müsse akzeptiert werden, daß Mehrweg-Verpackungssysteme zum Teil noch entwickelt würden, schließlich sei die Bonner Verordnung »holterdiepolter« gekommen. Dirk Wildt

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