Klimawandel macht krank

Hitzewellen, Tropenkrankheiten, Allergieverstärker einerseits, Klimadepressionen und Verdrängung andererseits: Die Grünen diskutieren über Klimawandel und Gesundheit

Ist das schon ein Sommer- oder noch ein Winterfoto? Das bleibt in Zeiten des Klimawandels bisweilen unklar Foto: Wolfgang Kumm/dpa

VonEiken Bruhn

Enten paaren sich im Januar, Flieder knospen im Dezember, Rosen blühen mangels Frost durch: Es gibt Menschen, die sich über den Komplettausfall des Winters freuen und jeden Zusammenhang zwischen Klimawandel und außergewöhnlich warmem Wetter leugnen.

Und es gibt die anderen, denen derartige Wetterphänomene Angst machen, weil es ihre Befürchtung bestätigt, dass der Kampf gegen die Erderwärmung mit katastrophalen Folgen längst verloren ist. Weder die einen noch die anderen sollte man pathologisieren, sagt die grüne Bremer Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther. „Es gibt gute Gründe für diese Gefühle“, sagt sie.

Die Psychiaterin, zugleich Fraktionssprecherin für Gesundheitsförderung, organisiert derzeit zwei Veranstaltungen zum Thema Klimakrise und Gesundheit in Bremen. „Der Klimawandel gefährdet unsere körperliche und seelische Gesundheit“, sagt sie. Nach ihrer Einschätzung sei dies bislang zu wenig bekannt, entsprechend wenig Strategien zum Umgang damit gebe es daher.

Der Jahresbericht des internationalen Klimaforschungsprojekts „The Lancet Countdown“ bestätigt Kappert-Gonthers Einschätzung: Bereits heute seien Kinder den Auswirkungen von Luftverschmutzung und extremen Wetterereignissen ausgesetzt. Sollten die Kohlendioxid­emissionen nicht umgehend eingedämmt werden, erhöhe dies die Gesundheitsgefahren für die kommenden Generationen erheblich, schreiben die 120 Forscher*innen. In ihrer Studie warnen sie unter anderem vor Mangelernährung aufgrund massiver Ernteausfälle. Zudem erhöhe sich durch den Klimawandel das Risiko von Infektionskrankheiten wie Denguefieber und Malaria sowie von Atemwegserkrankungen, aber auch jenes von Hitzschlägen, Herzinfarkten und akutem Nierenversagen. Die Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum in München geht davon aus, „dass die Auswirkungen von Hitze viel weitreichender sind, als dies gegenwärtig durch Studien dokumentiert ist“.

Die Bundesregierung hat immerhin schon mal zusammengetragen, welche Risiken es für die körperliche Gesundheit gibt: Zunahme von durch Insekten übertragenen Krankheiten, Verletzungen und Todesfälle aufgrund von Stürmen und Hochwasser, Hautkrebs wegen der erhöhten UV-Strahlung, längere Belastungen durch Al­lergien wegen des früher einsetzenden und heftigeren Pollenflugs – und Hitzewellen, die vor allem für chronisch Kranke, Menschen, die im Freien schwer körperlich arbeiten, sowie Alte und Kinder bedrohlich sind.

„Was gegen die Klimakrise hilft, hilft auch der Gesundheit“

Kirsten Kappert-Gonther, Grüne

„Ja, das ist bekannt“, sagt Kappert-Gonther, „aber es folgen keine ausreichenden politischen Maßnahmen daraus.“ Und die sieht sie in erster Linie bei verstärkten Anstrengungen, das Ausmaß der Erderwärmung zu begrenzen. „Es ist ziemlich einfach“, sagt sie, „was gegen die Klimakrise hilft, hilft auch der Gesundheit.“ Ein Beispiel sei Verkehrspolitik. Wenn die nicht mehr einseitig auf die Bedürfnisse der Autoindustrie ausgerichtet sei, würden Menschen in Städten und Ballungsräumen profitieren, weil sie mit weniger Belastung durch Feinstaub und Abgasen leben würden.

Das Gleiche gelte für den Zusammenhang zwischen Klimawandel und psychischer Gesundheit, über den noch weniger bekannt sei. „Das hat dramatische seelische Auswirkungen“, sagt Kappert-Gonther. Einige Menschen würden mit Ängsten oder Depressionen reagieren, andere mit Verdrängung. Und dann gebe es noch diejenigen, die zunehmend frustriert sind, weil sie das Gefühl haben, ihr Engagement führe zu nichts, weil bisher so wenig Konkretes passiere, um den Klimawandel aufzuhalten. All das könne dazu führen, dass Menschen aufhören oder gar nicht erst anfangen, sich zu engagieren.

Deshalb sei es wichtig, die Gefühle ernst zu nehmen und nicht als krankheitswertig zu betrachten. „Wir brauchen mehr Orte des Austauschs, in denen darüber gesprochen wird“, sagt sie. „Es hilft miteinander zu reden und zu verstehen, dass man nicht alleine ist.“

„Klimakrise und Gesundheit“, 19. Februar, 18 Uhr, Foyer, Kleines Haus, Theater Bremen